„Horváth hat die Seele erkundet“
Nicole Streitler-Kastberger über ihre Arbeit an der umfassenden historisch-wissenschaftlichen Werkausgabe über den österreichisch-ungarischen Schriftsteller Ödön von Horváth, die nach 20 Jahren vollendet ist.
Die „Wiener Ausgabe sämtlicher Werke von Ödön von Horváth“ist jetzt mit Band 19 abgeschlossen. Die Forschungsund Editionsarbeit hat hauptsächlich am Grazer Franz-Nabel-Institut stattgefunden und 20 Jahre gedauert. Was ist das Besondere an diesem Mammutprojekt?
fasziniert. Da schreibt ein gerade einmal 28-Jähriger über seine Zeit auf eine ganz innovative und humorvolle Weise. Dieser Roman und andere Werke, die auf unserer Edition beruhen, sind übrigens auch als ReclamAusgabe verfügbar, natürlich zu einem günstigen Preis, denn die Werke der „Wiener Ausgabe“sind ja teuer und eher etwas für Liebhaber und Bibliotheken. Ein AhaErlebnis für mich waren auch die eher unbekannten Stücke von Horváth, weil sie zeigten, dass er auch etwas anderes konnte, als „dem Volk aufs Maul zu schauen“, wobei diese Phrase ohnehin nicht stimmt.
Das „den Menschen aufs Maul schauen“– war das für Horváth nur das Rohmaterial?
Genau, so muss man das sehen. Er verwehrte sich ja auch dagegen, dass die Schauspieler in seinen Stücken Dialekt gesprochen haben. Er betonte, dass das eine Kunstsprache sei. Seine Figuren sprechen eine Mischung aus Dialekt und Bildungsjargon.
Horváth hatte offenbar einen ganz eigenen Arbeitsprozess. Welchen genau?
Es ist ihm nicht alles gleich druckreif aus der Feder bzw. der Schreibmaschine geflossen. Er war ein Bastler und Monteur und hat sehr mit sich gerungen um die Texte. Er hat zum Beispiel Typoskripte zerschnitten und Teile davon an anderer Stelle wieder hingeklebt. Wir nennen das Cutand-Paste-Technik; er hat also händisch das gemacht, was wir heute vielfach am Computer tun.
Horváth gilt als Erneuerer des Volksstücks. War er das?
Auf jeden Fall. Er holte aber das Volksstück aus der Provinz und versetzte es in die Urbanität, in die Metropolen seiner Zeit. Diese