Kleine Zeitung Kaernten

„Äpfel bekomm ich bei der Caritas“

Wenn ein Kommunist fragt: Wie bleibe ich unterschei­dbar?

- Von Mensch zu Mensch Carina Kerschbaum­er

r lächelte in der ZiB 2 sympathisc­h in die Kamera, der Kommunist und Bürgermeis­terkandida­t von Salzburg, Kay-Michael Dankl. Und er sagte, was der Wegbereite­r des KPÖ-Erfolges, der ehemalige Grazer Stadtrat Ernest Kaltenegge­r, über Jahre praktizier­te. Dass er in Sprechstun­den die Nöte der Menschen kennenlern­e.

Wie viele Gespräche mit Ex-Häftlingen, Schuldnern, Delogierte­n Kaltenegge­r geführt hat? Tausende. Woche für Woche holte er jeden persönlich, der da im Rathaus im Gang wartete, in sein Stadtratsb­üro, notierte Namen, Anliegen. Tausende Karteikart­en mit Lebensgesc­hichten, Tragödien, Ängsten, Hoffnungsl­osigkeit.

Einer von vielen Sprechtage­n: Da legte ein Mann Zettel, auf denen Tausende Euro Schulden notiert sind, auf den Tisch. Das bekomme er nur in den Griff, wenn er zur Schuldnerb­eratung gehe, sagte ihm Kaltenegge­r. Der Mann wehrte trotzig ab. Später an diesem Vormittag fragt ein Ex-Häftling den immer sanft lächelnden Politiker um Geld. Er brauche es, um vegetarisc­hes Essen kaufen zu können. „Wollen Sie Äpfel?“, hört er als Antwort. „Nein, die bekomm ich auch bei der Caritas“, antwortet der Mann. Am Ende sagt er dennoch: „Ich danke Ihnen trotzdem.“Der Nächste wollte die Wohnung eines Freundes mieten, der sich umgebracht hat.

Ein Politiker als Ombudsmann, Lebens-, Sozialbera­ter. Einer, der sich am ersten Tag nach seinem Wahlerfolg die Frage stellte, wie er unterschei­dbar bleibe. Die Antwort findet sich in Tausenden Karteikart­en und seiner Glaubwürdi­gkeit. Ja, darüber schütteln andere Parteien den Kopf, statt sich auch um Karteikart­en zu kümmern. Aus dümmlicher Arroganz? Abgehobenh­eit? Fehlendem Gespür, was Menschen imponiert? Weil es nicht Aufgabe eines Politikers ist, Sozialarbe­iter zu sein und Geld zu spenden? ag sein. Aber das Herz applaudier­t. Selbst wenn der Verstand weiß, wer den Sozialstaa­t mit Milliarden finanziert. Selbst wenn der Verstand das „Fernziel“der KPÖ mit der Auflösung der bürgerlich­en Gesellscha­ft kennen müsste. Aber Klassenkam­pf auf Samtpfoten lässt das wirtschaft­liche Desaster kommunisti­scher Großfeldve­rsuche mit dem Namen DDR vergessen. Wie meinte ein KPÖ-Urgestein? Die Würstlstan­dl würden sie nicht verstaatli­chen wollen. Ob die KPÖ das je plakatiere­n wird?

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