Die Wahrheit ist komplexer
Die Ausgaben für Bildungskarenz explodieren, die Zielgruppe wird nicht erreicht. Das schreit förmlich nach einer einfachen Lösung. Aber die gibt es nicht.
as Thema ist aufgelegt für Polemik: „Bildungskarenz – Ich bin dann mal weg“, dazu ein plakatives Urlaubsbild mit Meer, Palme, Sonne – das ist die Titelseite, die der sonst um sein wissenschaftliches Renommee bemühte Thinktank „Agenda Austria“der neuen Analyse zum Thema vo- ranstellt. Ökonomen, die von ei- nem „Sabbatical auf Kosten der Allgemeinheit“sprechen und ei- nem Instrument zur miss- bräuchlichen Verlängerung der Babypause, ist schnell die unge- teilte Aufmerksamkeit gewiss.
Die Datenbasis lässt indes tat- sächlich nur den Schluss zu, dass bei den Bestimmungen zur Bildungskarenz einiges geän- dert gehört. Dringend, weil von der Maßnahme nicht die eigent- liche Zielgruppe – schlecht aus- gebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit entspre- chend niedrigem Einkommen – profitiert, sondern die, die ohne- hin ganz gut ausgebildet sind. Und die Kosten galoppieren da- von. (Siehe dazu Seite 32/33.)
Allein, im Detail sind die Da- ten zur Bildungskarenz mit Vor- sicht zu genießen – weil die Sta- tistik dazu große Lücken auf- weist. Aber mit einfachen Ant
Ddaniela.bachal@kleinezeitung.at
worten kommt man bekanntlich besser an als mit dem sachlichen Diskurs.
Die plakative Forderung nach restriktiveren Zugangsbestim- mungen und verschärften Kon- trollmaßnahmen ist also ein na- türlicher Reflex. Die Situation ist, wie meistens, komplexer als gedacht. Die Höhe des Weiterbil- dungsgeldes, das bei einer Bildungskarenz vom Arbeitsmarktservice ausbezahlt wird, entspricht dem fiktiven Ar- beitslosengeld, also einem Grundbetrag von 55 Prozent des vorangegangenen durch- schnittlichen monatlichen Net- toeinkommens. Mit niedriger Qualifikation ist das Einkom- men gering, und 55 Prozent von wenig, um es polemisch zu for- mulieren, sind einfach nicht ge- nug, um in Bildungskarenz ge- hen zu können, wie es seitens der Arbeiterkammer heißt. Wenn Ökonomen an dieser Stel- le fordern, dass Unternehmen bei der Finanzierung von Weiterbildung des Personals mehr in die Pflicht zu nehmen sind, ist zu bedenken: Die Ambition, in die Ausbildung von schlecht ausgebildeten und damit relativ leicht austauschbaren Mitarbeitern zu investieren, ist nicht groß.
Und weil wir schon bei den vielen versteckten Mängeln in der Debatte sind: Über Bildungskarenz als Verlängerung der Babypause kann nur sinnvoll diskutiert werden, wenn man den Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen berücksichtigt. ann wäre da noch die Seite der Unternehmen: Bildungskarenz als Sparmaßnahme in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und Krisen, auch zur Überbrückung von Kurzarbeit. Das zeigte sich, auch das lässt sich belegen, sowohl in der Finanzkrise ab 2008 als auch während der Pandemie. Hinzu kommen Fälle von Bildungskarenz als „Golden Handshake“vor der einvernehmlichen Kündigung, damit die Anstellung noch etwas länger aufrecht bleibt. Auch das gehört angesprochen. Aber ohne Polemik wird die Debatte halt anstrengend.
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