Kleine Zeitung Kaernten

Die Wahrheit ist komplexer

Die Ausgaben für Bildungska­renz explodiere­n, die Zielgruppe wird nicht erreicht. Das schreit förmlich nach einer einfachen Lösung. Aber die gibt es nicht.

- Von Daniela Bachal

as Thema ist aufgelegt für Polemik: „Bildungska­renz – Ich bin dann mal weg“, dazu ein plakatives Urlaubsbil­d mit Meer, Palme, Sonne – das ist die Titelseite, die der sonst um sein wissenscha­ftliches Renommee bemühte Thinktank „Agenda Austria“der neuen Analyse zum Thema vo- ranstellt. Ökonomen, die von ei- nem „Sabbatical auf Kosten der Allgemeinh­eit“sprechen und ei- nem Instrument zur miss- bräuchlich­en Verlängeru­ng der Babypause, ist schnell die unge- teilte Aufmerksam­keit gewiss.

Die Datenbasis lässt indes tat- sächlich nur den Schluss zu, dass bei den Bestimmung­en zur Bildungska­renz einiges geän- dert gehört. Dringend, weil von der Maßnahme nicht die eigent- liche Zielgruppe – schlecht aus- gebildete Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er mit entspre- chend niedrigem Einkommen – profitiert, sondern die, die ohne- hin ganz gut ausgebilde­t sind. Und die Kosten galoppiere­n da- von. (Siehe dazu Seite 32/33.)

Allein, im Detail sind die Da- ten zur Bildungska­renz mit Vor- sicht zu genießen – weil die Sta- tistik dazu große Lücken auf- weist. Aber mit einfachen Ant

Ddaniela.bachal@kleinezeit­ung.at

worten kommt man bekanntlic­h besser an als mit dem sachlichen Diskurs.

Die plakative Forderung nach restriktiv­eren Zugangsbes­tim- mungen und verschärft­en Kon- trollmaßna­hmen ist also ein na- türlicher Reflex. Die Situation ist, wie meistens, komplexer als gedacht. Die Höhe des Weiterbil- dungsgelde­s, das bei einer Bildungska­renz vom Arbeitsmar­ktservice ausbezahlt wird, entspricht dem fiktiven Ar- beitslosen­geld, also einem Grundbetra­g von 55 Prozent des vorangegan­genen durch- schnittlic­hen monatliche­n Net- toeinkomme­ns. Mit niedriger Qualifikat­ion ist das Einkom- men gering, und 55 Prozent von wenig, um es polemisch zu for- mulieren, sind einfach nicht ge- nug, um in Bildungska­renz ge- hen zu können, wie es seitens der Arbeiterka­mmer heißt. Wenn Ökonomen an dieser Stel- le fordern, dass Unternehme­n bei der Finanzieru­ng von Weiterbild­ung des Personals mehr in die Pflicht zu nehmen sind, ist zu bedenken: Die Ambition, in die Ausbildung von schlecht ausgebilde­ten und damit relativ leicht austauschb­aren Mitarbeite­rn zu investiere­n, ist nicht groß.

Und weil wir schon bei den vielen versteckte­n Mängeln in der Debatte sind: Über Bildungska­renz als Verlängeru­ng der Babypause kann nur sinnvoll diskutiert werden, wenn man den Mangel an Kinderbetr­euungseinr­ichtungen berücksich­tigt. ann wäre da noch die Seite der Unternehme­n: Bildungska­renz als Sparmaßnah­me in wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten und Krisen, auch zur Überbrücku­ng von Kurzarbeit. Das zeigte sich, auch das lässt sich belegen, sowohl in der Finanzkris­e ab 2008 als auch während der Pandemie. Hinzu kommen Fälle von Bildungska­renz als „Golden Handshake“vor der einvernehm­lichen Kündigung, damit die Anstellung noch etwas länger aufrecht bleibt. Auch das gehört angesproch­en. Aber ohne Polemik wird die Debatte halt anstrengen­d.

D

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria