Musicaltheater im Stil der Achtziger
„Das Phantom der Oper“zieht auch nach fast 40 Jahren: Vor allem gesanglich kann die Neuproduktion in Wien überzeugen.
Weck ging 1988 die deutschsprachige Erstaufführung über die Bühne und lief fünf Jahre.
Nun also ein Comeback, bei dem man sich für die Neufassung des britischen Erfolgsproduzenten Cameron Macintosh entschied. Diese entstand vor zehn Jahren und lief bisher erfolgreich in Großbritannien, in den USA und Australien. Die versprochenen imposanteren Visual-Spezialeffekte bleiben aus, das Sounddesign dagegen imponiert und huldigt Lloyd Webber mit mitunter zu vordringlichen Keyboard- und SynthieKlängen als Pop-Kaiser des in den 1980er-Jahren wieder groß gewordenen Musicals, das hier aus mehreren großen Melodien neben dem bombastischen Titelsong besteht.
wo die geschmeidige deutsche Übersetzung von Profi Michael Kunze zu hören ist, kann man sich vor allem über die stimmlichen Leistungen freuen. Anton Zetterholm ist zwar bis zur Pause in der Titelrolle zu sehr Softie, man nimmt dem zu jungen und drahtigen Schweden den Leidensweg dieser entstellten Kreatur mit dunkelster Vergangenheit nicht ganz ab, er wischt das aber im Laufe des zweieinhalbstündigen Abends (inklusive Pause) mit seiner stimmlichen Strahlkraft weg.
Anno dazumal war Alexander Goebel ein diabolisches, vom Leben enttäuschtes und mörderisches Phantom mit Gewicht. „In seinem Blick lag das Leid der ganzen Welt. Ein stummer Schrei“, konstatiert das Chormädchen Christine, das über ihren „Lehrmeister“zum neuen Star im späten 19. Jahrhundert an der Pariser Oper avanciert. In ihrem Wien-Debüt zieht die Niederländerin Lisanne Clémence Veeneman als des Phantoms Muse Christine alle Register, mit Schmelz in der Stimme und auch als Typ überzeugt der gebürtige Amerikaner Roy Goldman (Raoul). Bei heimischen Stars wurde man offenbar nicht fündig. Milica Jovanovic ist eine wunderbare Carlotta, die die Herausforderung der Operndiva mit Klasse und zugleich Augenzwinkern meistert.