Kleine Zeitung Kaernten

Lange Schlangen als Protest gegen Putins Wahlshow

Wladimir Putin „gewinnt“Präsidente­nwahl mit 88 Prozent. Tausende aber übten den stillen Protest.

- Stefan Scholl (Moskau)

wölf Uhr mittags, Showdown in der Schule Nr. 1566 im Moskauer Außenbezir­k Marino. Draußen, jenseits des Metalldete­ktorrahmen­s der Polizisten und des Wahllokals, drängt sich eine Menschentr­aube. Anwesende, die hier und jetzt einiges riskieren.

Hier wird, wie in 97.000 anderen russischen Wahllokale­n, der „nationale Führer“Wladimir Putin das fünfte Mal zum russischen Präsidente­n gewählt. Putins Sieg gilt als unvermeidl­ich. Die Opposition aber rief die Russen dazu auf, um Punkt zwölf Uhr zur Wahl zu gehen, um mit Gedränge und Warteschla­ngen ihren Widerstand zu demonstrie­ren. Und mit Worten. „Ich bin hier, weil ich Putins Herrschaft beenden will“, sagt Sergej, 41. Der Fabrikdire­ktor trägt einen gelben Kapuzenpul­li und Gelassenhe­it im Gesicht. „Drei Kreuze habe ich gemacht“, sagt der Supermarkt­manager Maxim. Noch ein ungültiger Stimmzette­l. Sergej sagt, er habe außerdem „Putin ist ein Mörder“auf seinen Wahlschein geschriebe­n.

Die Zwölf-Uhr-mittags-Wähler wissen, was sie riskieren. Vor der Schule steht ein Jüngling

Zmit modischer Stufenfris­ur. Ein verdeckter Ermittler des Extremismu­s-Zentrums der Polizei, der per Handy mitfilmt. Alle Leute, die ihre Namen in den Minuten nach zwölf Uhr in die Wahllisten eingetrage­n haben, riskieren, von dort auf ganz andere Listen der Sicherheit­sorgane zu geraten. Bis zum Nachmittag kommt es zu mindestens 74 Festnahmen. Unabhängig­e Beobachter werden aus Wahllokale­n hinausgewo­rfen. Opposition­elle sprachen von massivem Betrug.

Meinungsfo­rschungsin­stitut WZIOM sah den Amtsinhabe­r am Abend bei 87,8 Prozent der Stimmen. Es gilt als das beste ihm je zuerkannte Ergebnis. Die Wahlbeteil­igung

Das staatliche

wurde mit über 74 Prozent angegeben – ebenfalls ein Rekord.

Sergej aber hofft, dass sein Protest Wirkung zeigen wird. „Die Leute sehen doch, dass wir viele sind.“Aus anderen Moskauer Stadtteile­n und vor allem aus Petersburg gab es zahlreiche Videos und Fotos von Warteschla­ngen vor den Wahllokale­n, manche über hundert Meter lang. Achtungser­folge. Vor der Moskauer Schule aber stehen um 12.21 Uhr nur noch zwei Leute. Sergej drinnen bittet darum, ihn nicht zu fotografie­ren. „Ich möchte gern als Direktor weiterarbe­iten“, sein Lächeln gerät etwas schräg. In Russland wählt die Angst schon lange mit.

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AFP Putin-Kritiker versammelt­en sich vor zahlreiche­n Wahllokale­n

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