Lange Schlangen als Protest gegen Putins Wahlshow
Wladimir Putin „gewinnt“Präsidentenwahl mit 88 Prozent. Tausende aber übten den stillen Protest.
wölf Uhr mittags, Showdown in der Schule Nr. 1566 im Moskauer Außenbezirk Marino. Draußen, jenseits des Metalldetektorrahmens der Polizisten und des Wahllokals, drängt sich eine Menschentraube. Anwesende, die hier und jetzt einiges riskieren.
Hier wird, wie in 97.000 anderen russischen Wahllokalen, der „nationale Führer“Wladimir Putin das fünfte Mal zum russischen Präsidenten gewählt. Putins Sieg gilt als unvermeidlich. Die Opposition aber rief die Russen dazu auf, um Punkt zwölf Uhr zur Wahl zu gehen, um mit Gedränge und Warteschlangen ihren Widerstand zu demonstrieren. Und mit Worten. „Ich bin hier, weil ich Putins Herrschaft beenden will“, sagt Sergej, 41. Der Fabrikdirektor trägt einen gelben Kapuzenpulli und Gelassenheit im Gesicht. „Drei Kreuze habe ich gemacht“, sagt der Supermarktmanager Maxim. Noch ein ungültiger Stimmzettel. Sergej sagt, er habe außerdem „Putin ist ein Mörder“auf seinen Wahlschein geschrieben.
Die Zwölf-Uhr-mittags-Wähler wissen, was sie riskieren. Vor der Schule steht ein Jüngling
Zmit modischer Stufenfrisur. Ein verdeckter Ermittler des Extremismus-Zentrums der Polizei, der per Handy mitfilmt. Alle Leute, die ihre Namen in den Minuten nach zwölf Uhr in die Wahllisten eingetragen haben, riskieren, von dort auf ganz andere Listen der Sicherheitsorgane zu geraten. Bis zum Nachmittag kommt es zu mindestens 74 Festnahmen. Unabhängige Beobachter werden aus Wahllokalen hinausgeworfen. Oppositionelle sprachen von massivem Betrug.
Meinungsforschungsinstitut WZIOM sah den Amtsinhaber am Abend bei 87,8 Prozent der Stimmen. Es gilt als das beste ihm je zuerkannte Ergebnis. Die Wahlbeteiligung
Das staatliche
wurde mit über 74 Prozent angegeben – ebenfalls ein Rekord.
Sergej aber hofft, dass sein Protest Wirkung zeigen wird. „Die Leute sehen doch, dass wir viele sind.“Aus anderen Moskauer Stadtteilen und vor allem aus Petersburg gab es zahlreiche Videos und Fotos von Warteschlangen vor den Wahllokalen, manche über hundert Meter lang. Achtungserfolge. Vor der Moskauer Schule aber stehen um 12.21 Uhr nur noch zwei Leute. Sergej drinnen bittet darum, ihn nicht zu fotografieren. „Ich möchte gern als Direktor weiterarbeiten“, sein Lächeln gerät etwas schräg. In Russland wählt die Angst schon lange mit.