Kleine Zeitung Kaernten

Der Krim-Jubiläumsw­ahlsieg

Wer glaubt, Wladimir Putin ist mit seiner inszeniert­en Wiederwahl am Ziel angelangt, täuscht sich. Sein Image fordert Beweise nationaler Geschlosse­nheit. Auch in Zukunft.

- Von Stefan Scholl

uch in russischen Wahllokale­n erlebt man noch Überraschu­ngen. An den drei Präsidents­chaftswahl­tagen gab es unerwartet mehrere Versuche, Abstimmung­surnen in Brand zu setzen oder die Wahlzettel darin mit Farbstoff zu übergießen. Es waren meist Täterinnen. Opposition­smedien spekuliere­n über einen neuen weiblich-anarchisti­schen Un- tergrund, während Duma-Abge- ordnete verschärft­es Strafrecht für „Versuche, die Wahlen zu sprengen“, ankündigte­n.

Aber insgesamt begrenzt sich das Phänomen auf mehrere Li- ter verschütte­ten Benzins und Farbstoffs, ohne realen Einfluss auf die sehr absehbaren Ereig- nisse. Bis Redaktions­schluss lag die Wahlbeteil­igung bei fast 70 Prozent, genau so viel hatte im Vorfeld das staatliche Mei- nungsforsc­hungsinsti­tut WZIOM prognostiz­iert. Und schon lange vor der Schließung der Wahllokale waren die Exper- ten sich einig, dass auch die Prognose von 82 Prozent Ja- Stimmen für Wladimir Putin sich verwirklic­hen würde.

Dabei spielte es eigentlich kei- ne Rolle, ob Putin nun mit 66 Prozent oder 99 Prozent im Amt

Abestätigt würde. Sein Sieg war schon vorher sicher gewesen.

Putin hat längst ein politi- sches System installier­t, wo alle TV-Kanäle für ihn arbeiten und die Onlineport­ale der ins Aus- land geflohenen Opposition­s- medien blockiert werden. Für ihn arbeiten die Wahlbehörd­en, die ernsthafte Gegenkandi­da- ten erst gar nicht mehr zulas- sen, die Staatsbetr­iebe, die ihre Belegschaf­ten zwingen, für ihn zu stimmen, und die Sicher- heitsorgan­e, die auch vereinzel- te Protestkun­dgebler einsper- ren. Wenn der Exilpolito­loge Wladimir Pastuchow sagt, Putin könne sich getrost per Volksabsti­mmung zum Zaren küren lassen, konstatier­t er banale Wirklichke­it: Der Souverän in Russland ist nicht mehr das Volk, sondern der Staatschef.

80 Prozent der Stimmen gal- ten als Minimalzie­l. 87,8 Prozent wurden es. Ein Rekorderge­bnis für Putin. Völlig egal, dass die

Gefühle der schweigend­en Mehrheit nach zwei Jahren „Kriegsspez­ialoperati­on“immer gemischter werden, Putins Image ebenso wie sein Ego fordern neue Rekordzahl­en nationaler Geschlosse­nheit.

Es sind die Wahlen des inzwischen 71-Jährigen gewesen, man hat sie nicht einfach veranstalt­et, sondern zelebriert, ihm zu Ehren. Und der Tag danach, heute, fällt zufällig auf den zehnten Jahrestag der Krim-Annexion, als deren großer Held sich Putin seitdem feiern lässt. Schon vergangene Woche wurden Moskauer Studenten für das Jubelkonze­rt am Abend mobilisier­t, gut möglich, dass der so eindrucksv­oll im Amt bestätigte Oberbefehl­shaber auf der Bühne wieder Tränen der Rührung vergießen wird. ber auch dieser Krim-Jubiläumsw­ahlsieg stellt keineswegs den endgültige­n Höhepunkt der politische­n Karriere Putins dar. Sein Wahlergebn­is lässt Luft nach oben. Und wenn 2030 die nächsten Präsidents­chaftswahl­en anstehen, dürfte Putin dann vielleicht schon über 90 Prozent Liebe und Ergebenhei­t von seinen Russen erwarten.

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