Der Krim-Jubiläumswahlsieg
Wer glaubt, Wladimir Putin ist mit seiner inszenierten Wiederwahl am Ziel angelangt, täuscht sich. Sein Image fordert Beweise nationaler Geschlossenheit. Auch in Zukunft.
uch in russischen Wahllokalen erlebt man noch Überraschungen. An den drei Präsidentschaftswahltagen gab es unerwartet mehrere Versuche, Abstimmungsurnen in Brand zu setzen oder die Wahlzettel darin mit Farbstoff zu übergießen. Es waren meist Täterinnen. Oppositionsmedien spekulieren über einen neuen weiblich-anarchistischen Un- tergrund, während Duma-Abge- ordnete verschärftes Strafrecht für „Versuche, die Wahlen zu sprengen“, ankündigten.
Aber insgesamt begrenzt sich das Phänomen auf mehrere Li- ter verschütteten Benzins und Farbstoffs, ohne realen Einfluss auf die sehr absehbaren Ereig- nisse. Bis Redaktionsschluss lag die Wahlbeteiligung bei fast 70 Prozent, genau so viel hatte im Vorfeld das staatliche Mei- nungsforschungsinstitut WZIOM prognostiziert. Und schon lange vor der Schließung der Wahllokale waren die Exper- ten sich einig, dass auch die Prognose von 82 Prozent Ja- Stimmen für Wladimir Putin sich verwirklichen würde.
Dabei spielte es eigentlich kei- ne Rolle, ob Putin nun mit 66 Prozent oder 99 Prozent im Amt
Abestätigt würde. Sein Sieg war schon vorher sicher gewesen.
Putin hat längst ein politi- sches System installiert, wo alle TV-Kanäle für ihn arbeiten und die Onlineportale der ins Aus- land geflohenen Oppositions- medien blockiert werden. Für ihn arbeiten die Wahlbehörden, die ernsthafte Gegenkandida- ten erst gar nicht mehr zulas- sen, die Staatsbetriebe, die ihre Belegschaften zwingen, für ihn zu stimmen, und die Sicher- heitsorgane, die auch vereinzel- te Protestkundgebler einsper- ren. Wenn der Exilpolitologe Wladimir Pastuchow sagt, Putin könne sich getrost per Volksabstimmung zum Zaren küren lassen, konstatiert er banale Wirklichkeit: Der Souverän in Russland ist nicht mehr das Volk, sondern der Staatschef.
80 Prozent der Stimmen gal- ten als Minimalziel. 87,8 Prozent wurden es. Ein Rekordergebnis für Putin. Völlig egal, dass die
Gefühle der schweigenden Mehrheit nach zwei Jahren „Kriegsspezialoperation“immer gemischter werden, Putins Image ebenso wie sein Ego fordern neue Rekordzahlen nationaler Geschlossenheit.
Es sind die Wahlen des inzwischen 71-Jährigen gewesen, man hat sie nicht einfach veranstaltet, sondern zelebriert, ihm zu Ehren. Und der Tag danach, heute, fällt zufällig auf den zehnten Jahrestag der Krim-Annexion, als deren großer Held sich Putin seitdem feiern lässt. Schon vergangene Woche wurden Moskauer Studenten für das Jubelkonzert am Abend mobilisiert, gut möglich, dass der so eindrucksvoll im Amt bestätigte Oberbefehlshaber auf der Bühne wieder Tränen der Rührung vergießen wird. ber auch dieser Krim-Jubiläumswahlsieg stellt keineswegs den endgültigen Höhepunkt der politischen Karriere Putins dar. Sein Wahlergebnis lässt Luft nach oben. Und wenn 2030 die nächsten Präsidentschaftswahlen anstehen, dürfte Putin dann vielleicht schon über 90 Prozent Liebe und Ergebenheit von seinen Russen erwarten.
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