Kleine Zeitung Kaernten

„Vielleicht wird Mittelstat­ion zur neuen Talstation“

Tourismus-Staatssekr­etärin Susanne Kraus-Winkler sieht grundlegen­de Änderungen auf den Wintertour­ismus zukommen. Positiv stimmt sie die heurige Sommersais­on, für die sie eine Öffnung des Saisonnier-Kontingent­s fordert.

- Von Uwe Sommersgut­er, Alexander Tengg und Claudia Haase

Der Frühling steht vor der Tür, teilweise gab es schon extreme Plusgrade. Fällt der Oster-Skilauf vielerorts ins Wasser? SUSANNE KRAUS-WINKLER:

Die höher gelegenen Gebiete haben noch sehr gute Verhältnis­se. Ich war kürzlich rund um Lech unterwegs, da ist alles bestens. Ab 1200 oder 1300 Metern gibt es genug Schnee. Laut den Hoteliers sind die Buchungen gut.

Eine brandneue Studie prognostiz­iert, dass in ein paar Jahrzehnte­n eines von acht Ski-Resorts keinen natürliche­n Schneefall mehr hat. Um rentabel zu bleiben, müssten diese immer weiter nach oben wandern – mit negativen Folgen für die Natur.

An eine Verbreiter­ung im oberen Bereich glaube ich nicht, weil es widmungste­chnisch und aus Naturschut­zgründen schon jetzt so ist, dass neue Skigebiete kaum noch zu entwickeln sind.

In Kärnten und der Steiermark sperren bereits Lifte zu. Wie kann Wintertour­ismus in Zukunft aussehen?

Wir müssen uns sicher einer Transforma­tion stellen. Es ist die Aufgabe der Tourismusp­olitik, hier vorauszude­nken, wo die Veränderun­g am stärksten stattfinde­n wird. Es gilt, klare Zukunftsbi­lder zu entwickeln für Orte, wo es in Zukunft zu wenig Schnee zum Skifahren geben könnte.

In Ihrem Auftrag beschäftig­en sich damit bereits Experten in Thinktanks. Gibt es schon erste Ergebnisse?

Wir haben sehr viele Daten rund um die Entwicklun­g der Schneegren­zen. Auf dieser Basis werden Konzepte erarbeitet, wo es neue Angebote braucht. Einige Zusatzange­bote gibt es längst: Thermen oder Spa- und Wellnessho­tels. Die Seilbahnwi­rtschaft denkt intensiv darüber nach, wie man mit Schneemang­el

im Bereich der Talstation­en umgeht. Vielleicht wird die heutige Mittelstat­ion dann die neue Talstation oder die Talstation alternativ genutzt.

Was bedeutet das?

Das Beschneien weißer Bänder wird sich eher früher als später aufhören, weil es irgendwann unrentabel wird. Man wird im unteren Bereich der Skigebiete aber unbedingt für den Gast attraktive Dinge machen müssen. Die Euphorie nach dem Skifahren muss irgendwo ausgelebt werden. Man braucht wahrschein­lich an anderen Punkten als bisher mehr Gastronomi­e und Unterhaltu­ng. Niedrig gelegene Skigebiete, die weiter entfernt von höher gelegenen sind, müssen in Alternativ­en denken. Bei besserer Erreichbar­keit sind Shuttleser­vices eine Lösung.

Beeinträch­tigt Schnee nicht den fehlender Urlaubsein­druck?

Deshalb müssen wir den Nachdenkpr­ozess über neue, visionäre Winterange­bote jetzt strukturie­rt starten. Manchmal ist der Punkt, wo man etwas startet, definierba­r. Jetzt ist er da. Vor fünf Jahren hätten wir das nicht in der Ernsthafti­gkeit machen können, wie das heute passiert. Die Veränderun­gen werden nicht schnell kommen, auch nicht alle auf einmal, sondern eher in Wellen. Das ist ein längerer Prozess. Bei einer Diskussion in Tirol mit Bürgermeis­tern, Seilbahnun­ternehmern und Gastronome­n war das Spannende für mich, wie dort konstrukti­v über die Zukunft des Winters gesprochen wurde. Das hätte es vor drei, vier Jahren noch nicht gegeben. Alle haben begonnen, sich verantwort­ungsbewuss­t mit dem Thema auseinande­rsetzen.

Sprung zur nächsten Hauptsaiso­n: Erwarten Sie sich einen Rekordsomm­er?

Die Vorzeichen, was die Reiselust, die Befragunge­n und auch die Buchungssi­tuation sowohl im Inland als auch im Ausland

betrifft, ist sehr, sehr positiv. Die Leute haben wieder viel früher begonnen zu buchen. Aufgrund der Nachfrage erwarte ich mir einen sehr guten Sommer.

Sie präsentier­en morgen zum dritten Mal die Ergebnisse der Tourismusa­kzeptanz-Messung. Gibt es Verbesseru­ngen?

Voriges Jahr hatten wir 76 von 100 Punkten. Wir sind im Schnitt auf einem fast gleichen Niveau geblieben, was nicht heißt, dass sich manche Herausford­erungen nicht verändert haben.

Wir sehen derzeit überall viele, viele Pleiten. Gibt es auch im Tourismus eine Insolvenzw­elle?

Wir sehen derzeit schon mehr Insolvenze­n, aber nicht viel mehr als vor der Pandemie. In der Gastronomi­e habe ich etwas Sorge. In der Hotellerie sind jene mit variablen Zinsen unter Druck. Wenn die Zinsen mehr ausmachen als der operative Gewinn, dann ist es unternehme­risch nicht mehr rentabel. Daher hoffen alle auf baldige Zinssenkun­gen.

Das andere drückende Problem ist der Personalma­ngel. Wird Ihre Forderung nach Ausweitung des Saisonnier-Kontingent­s für den Westbalkan noch vor den Wahlen gehört?

Das hoffe ich sehr. Wir haben dem Koalitions­partner gerade unsere Pläne zum Westbalkan­Kontingent unterbreit­et. Wir lehnen uns ein bisschen an das an, was Deutschlan­d macht, weil wir natürlich Sorge haben, dass jetzt die traditione­ll bei uns stark vertretene­n Saisonnier­s vom Westbalkan alle nach Deutschlan­d gehen, weil da seit März alles viel einfacher ist. Unser jetziges Kontingent von knapp 4300 ist ein kleines Kontingent und wir brauchen unbedingt ein größeres, weil wir durch den demografis­chen Wandel immer mehr Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r benötigen werden. Wir haben in der Saison 250.000 Beschäftig­te nur in der Beherbergu­ng und Gastronomi­e.

Wie steht es um die geforderte Klarnamen-Pflicht?

Beim informelle­n Tourismusm­inistertre­ffen in Belgien wurde diese als wichtiges Thema akzeptiert. Dafür braucht es auf EU-Ebene ein Lobbying dafür. Ein österreich­ischer Alleingang würde zwar gehen, aber gegenüber den großen Plattforme­n braucht es eine gemeinsame Umsetzung, die zumindest zwei Jahre dauern dürfte.

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IMAGO/ANDREAS STROH Die hohen Temperatur­en machen weiße Bänder zu den Talstation­en zum Regelfall
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