Lügenbold als Kind unserer Zeit
Für Mavie Hörbiger wird „Peer Gynt“zum persönlichen Triumph.
errje, „Peer Gynt“, diese Geschichte.
2019 hat Martin Kušej Thorleifur Örn Arnarssons Inszenierung von Ibsens Weltgedicht bereits angekündigt, dann kam u. a. die Pandemie dazwischen. Das Projekt verschleppte sich, nun ist es sich doch noch ausgegangen: in einer auf fünf Darstellerinnen und Darsteller reduzierten Version im Kasino. Dort aber immerhin im Breitwandformat, im Festsaal. Dessen abgeranzte Klassizistik und reichlich wabernder Bodennebel genügt dem isländischen Regisseur für den ungestümen Fantasy-Ritt, als den er das Stück inszeniert.
H„Peer Gynt“im Irrenhaus
Peer, den Lügenbold und Luftikus, der es sich in den Kopf setzt, ein großer Mann, ja sogar Kaiser der Welt zu werden, spielt Mavie Hörbiger, und die Rolle wird für sie zum persönlichen Triumph. Denn mit ihr wird Peer, der Abenteurer und Schwindler, der auf der Suche nach sich selbst eine märchenhafte Welt durchtobt, um sich am Ende seines Lebens verzweifelt als „menschenleeres Ich“zu erkennen, zum quecksilbrigen Menschenkind, dem man seine soziopathischen Züge nicht übelnehmen mag.
Mit einfachen Mitteln gelingen Arnarsson exaltierte Bilder von der Sinnsuche. Dass der Abend ohne Fingerzeig von der Zerfahrenheit und Rastlosigkeit des Gegenwartsmenschen erzählt, poesievoll und mit Temperament, ist die zentrale Stärke der Inszenierung.
Warum ist Maria Montessori für Sie heute noch relevant? LÉA TODOROV:
Maria Montessoris Erziehungsmethoden sind bekannt, ihr Leben nicht. Es reizt mich, die Rolle der Frauen in der Geschichte wiederzuentdecken. Es steckt etwas Kraftvolles in der Geschichte, dass sie ihr Kind aufgeben musste, um zu der Frau zu werden, die wir heute kennen. So wie ihr ging es jahrhundertelang vielen Frauen. Meine Großmutter verließ in den 1950ern ihre drei kleinen Kinder. Sie fühlte sich in der Mutterschaft gefangen. Damit bin ich aufgewachsen, dieses Trauma hat sich auf meine Mutter übertragen.