„Sie lädt belastete Orte literarisch auf“
Polnische Autorin erhält den Staatspreis für Europäische Literatur.
ach dem Literaturnobelpreis an Olga Tokarczuk 2019 sind andere polnische Autorinnen etwas aus dem Blickfeld geraten. Das sollte sich jetzt wieder ändern: Joanna Bator aus der niederschlesischen Stadt Wałbrzych/ Waldenburg erhält heuer den Österrei- chischen Staatspreis für Europäische Literatur zuerkannt. Die Auszeichnung ist mit 25.000 Euro dotiert und wird der 56 Jahre alten Autorin am 27. Juli im Rahmen eines Festaktes während der Salzburger Festspiele verliehen. Das gab Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer am Dienstag bekannt. Bator folgt damit der Französin Marie NDiaye, die diese Ehrung im Vorjahr erhielt.
Obwohl vielfach ausgezeichnet, ist Bator in der breiten (Lese-)Öffentlichkeit noch nicht allzu bekannt. Von anderen Autoren wird sie aber bereits seit Längerem sehr geschätzt. So zählt etwa Haruki Murakami zu den Bewunderern Bators – und die Wertschätzung dürfte auf Gegenseitigkeit beruhen. Die polnische Schriftstellerin
Nlebt in der Nähe von Warschau in einem Haus mit dem Namen „Home Under Wind-up Bird“, inspiriert von einem Romantitel Murakamis.
Als Prosaschriftstellerin debütierte Bator 2011 mit dem hochgelobten Roman „Sandberg“. In dem über mehrere Generationen gespannten Erzählbogen beschäftigt sie sich mit der polnischen Geschichte zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, aber auch mit dem Sozialismus nach der Wende. Zuletzt breit rezipiert wurde Bators 800-Seiten-Roman „Bitternis“. In der Jurybegründung zur Verleihung des Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur heißt es: „Bator lädt belastete Orte literarisch auf, gibt den Dargestellten Raum und Stimme, bringt sie Lesenden nahe und verbindet eindrucksvoll Vergangenes mit gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Realitäten. Dabei verfährt sie nie lehrhaft, sondern beobachtungsgenau, sprachlich versiert, spielerisch, voller Fantasie und Witz“.
Die Meinung in diesem Gastkommentar muss sich nicht mit jener der Redaktion decken.