Ausbruch aus dem Strudel
Dass das Elektroschrott-Aufkommen weltweit explodiert, ist keine Überraschung. Ein Gegensteuern über bessere Entsorgungssysteme alleine greift allerdings zu kurz.
ir stehen in wachsendem Maß unter Strom. Ein Befund, der nicht nur für den Aufgeregtheitspegel unserer Zeit gilt, sondern auch wörtlich zu verstehen ist. Ob beruflich oder privat, unsere Umgebung elektrifiziert sich rasant bis in alle Winkel. Handy und Smartwatch sind Dauerbeglei- ter, wo unlängst noch zu Fuß ge- gangen oder beherzt in die Peda- le getreten worden ist, surren heute E-Scooter und E-Bikes. Zu Hause hat Alexa das Komman- do übernommen und dirigiert mühelos Surroundsystem und Außenjalousien. Der technische Fortschritt hat den Komfort in neue Sphären katapultiert.
Das ist nicht vorderhand schlecht. Doch wie so oft hat die neu erlangte Bequemlichkeit Schattenseiten. Von Jahr zu Jahr produziert die Welt um 2,6 Mil- lionen Tonnen mehr Elektro- schrott, das Aufkommen wächst fünfmal schneller als die Recyclingkapazitäten. Die Zahlen des E-Waste-Monitors der UNO sind Zeugnis einer glo- balen Ressourcenvernichtung gewaltigen Ausmaßes.
Ein Naturgesetz ist diese Ent- wicklung nicht. Die Elektrifizie- rung des täglichen Lebens und
Wguenter.pilch@kleinezeitung.at
der wachsende Konsum in den Schwellenländern sind zwei ih- rer Antriebe, doch eine entscheidende Zutat ist der gedankenlo- se Umgang mit Rohstoffen und Energie, der über die Jahre Platz gegriffen hat. Das gilt für Indus- trie und Handel ebenso wie für die Konsumentinnen und Kon- sumenten. So liegt bei der Kon- struktion neuer Geräte selten Langlebigkeit im Fokus, meist trifft das Gegenteil zu. Entspre- chende Alltagserfahrungen be- gegnen fast jedem: das Tablet, das plötzlich keine Softwareupdates mehr durchführt und nach Austausch ruft; der Smart- TV, dessen defekte Komponente nicht wechselbar ist; die Wasch- maschine mit dem gebrochenen Bottich, deren Reparatur teurer wäre als ein Neugerät.
Konfrontiert damit, kontern Hersteller oft, dass der Wunsch nach ständiger Erneuerung von den „Verbrauchern“selbst kom- me. Und es stimmt. Einst war ein Telefon eben ein Telefon, ein Fernsehgerät blieb ein Fernsehgerät – einmal angeschafft, erledigt. Inzwischen schlagen neue technische Standards im Stakkato auf, kaum ausgepackt, ist das Gerät schon wieder überholt. Das entfacht den Dauerhunger auf Neues, der am anderen Ende der Kette fatal wirkt.
Wie schnell lässt sich dieses Rad drehen, ehe es aus der Aufhängung springt? Eine Bremswirkung hätten höhere Sammelund Recyclingquoten für Altgeräte, doch sie entschärfen nur einen Teil des Problems. Offensichtlich ist, dass der kopflose Neuanschaffungshunger mit seinem Rattenschwanz an Konsequenzen nicht als Zukunftsmodell taugt. in vielversprechender Ansatz ist das EU-weit geplante Recht auf Reparatur. Sinnvoll wären genauere Vorgaben für nachhaltige Produktdesigns bis hin zu Mindesthaltbarkeiten für Geräte. Wirksam wird all das jedoch nur, wenn wir bereit sind, von Verbrauchern zu Benutzern zu werden. Es gilt, der Stromschnelle zu entkommen und dem dauerelektrisierten Erneuerungsmantra den Stecker zu ziehen.
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