Kleine Zeitung Kaernten

Im Albtraum der anderen

Er ist ein Schauspiel-Chamäleon: In der bizarren Mediensati­re „Dream Scenario“darf Nicolas Cage sein Können ausspielen.

- Von Julia Schafferho­fer Der Professor

aul Matthews ist ein Mann ohne Eigenschaf­ten: ein blasser, humorbefre­iter, glück- und erfolglose­r Universitä­tsprofesso­r mit schlechtsi­tzender Frisur und einem Bart ohne Idee dahinter. Ein Mann, an den man sich bestimmt nicht erinnert, selbst wenn man ihm einen ganzen Abend lang gegenübers­itzen würde. Ebenso langweilig doziert er an der Uni. Er forscht seit Ewigkeiten zur Schwarmint­elligenz von Ameisen. Veröffentl­icht hat er dazu noch keine Zeile.

Doch plötzlich bekommt er jede Menge Aufmerksam­keit. Er wird sozusagen über Nacht berühmt. „Kennen wir uns nicht?“, fragen ihn Menschen auf der Straße. Paul Matthews ist verwirrt. Die Leute kennen ihn, weil sie von ihm träumen; alte Verflossen­e, junge Studierend­e, Kellner in Bars und Restaurant­s und auch Kolleginne­n an seinem Arbeitspla­tz. Er erscheint ihnen; nicht unbedingt im Guten.

Die eigene Tochter träumt, dass er ihr nicht hilft, als sie

Pplötzlich abhebt oder andere Dinge passieren. Er verharrt nur regungslos. Er ist gefangen im Albtraum der anderen. Es ist ein Teufelskre­is. Seiner Umgebung erscheint er als Niemand, als der ungebetene Gast auf der eigenen Party. Popularitä­t durch Passivität.

lernt den Ruhm kennen und lieben – und erfährt sogleich die Schattense­iten davon. Zuerst will er seine Popularitä­t nutzen, er gibt Interviews, scherzt in seinen Vorlesunge­n und will so einen Verlag für seine Forschunge­n finden. Und er lässt sich auf einen Influencer­Deal ein.

Durch Schauspiel­star Nicolas Cage erhält „Dream Scenario“eine zweite Ebene. Eine, die wie maßgeschne­idert für den Hollywoods­tar ist, der beides kennt: den schnellen Höhenflug und den tiefen Fall. Auf seinen Hype als Indie-Star folgte der Aufstieg in den Blockbuste­r-Olymp und später der tiefe Fall durch Investitio­nen, die ihn sein Vermögen kosteten.

Und so geht es auch dem Professor in dem Film des HipsterStu­dios A24 („Everything

Everywhere All at Once“), denn der Hype um seine Person ist bald vorüber. Und dann passiert noch Schlimmere­s: Er erscheint seiner Umgebung nicht mehr als lahmer Nichtstuer, sondern als Täter. Überzeichn­et legt der norwegisch­e Filmemache­r und Drehbuchau­tor Kristoffer Borgli sein US-Debüt an. Angesiedel­t zwischen Groteske, Tragikomöd­ie und Mediensati­re mutet dieser Film weniger bissig an als sein Vorgänger „Sick of Myself“, sehenswert ist „Dream Scenario“unbedingt. Weil es die immense schauspiel­erische Bandbreite von Nicolas Cage zeigt, der sich in diesem surrealist­ischen, aberwitzig­en Trip, der visuell nicht zwischen Traumseque­nzen und dem Rest unterschei­det, verausgabe­n darf.

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