Kleine Zeitung Kaernten

Mein Opa: Verdrängte­s Verbrechen

ORF-Redakteur Bernt Koschuh arbeitet auf Ö 1 die Geschichte seiner Familie auf.

- Von Daniel Hadler Die Aufarbeitu­ng Nach einem Konflikt

ür seine Nachkommen war Friedrich Polte ein Phantom. Selbst die Kinder des SS-Obersturmb­annführers erfuhren erst zehn Jahre nach dem Tod des „Vatis“von dessen Hinrichtun­g als Nazikriegs­verbrecher. „Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich jeden Tag im Abendgebet den Vater mit eingeschlo­ssen habe, mit den Worten: Lieber Gott, lass den Vati bald wiederkomm­en“, erinnert sich ein Sohn im Ö 1-„Hörbild“(zu hören am Samstag um 9.05 Uhr) im Gespräch mit dem Enkel von Polte: dem ORF-Redakteur Bernt Koschuh, der sich auf Spurensuch­e nach seinem Großvater begeben hat.

Fder eigenen Familienge­schichte hatte für den gebürtigen Grazer Koschuh den Ausgangspu­nkt vor rund sieben Jahren nach einem Umzug auf die Aspanggrün­de in Wien. Das Gelände beherbergt­e bis 1971 den

Aspangbahn­hof, der im Nationalso­zialismus als Deportatio­nsbahnhof genutzt wurde, woran heute ein Mahnmal erinnert. Hier kam Koschuhs Schwester ins Spiel: Sie hatte Dokumente entdeckt, dass Großvater Friedrich Polte vorab über die ersten Deportatio­nszüge 1939 vom Aspangbahn­hof informiert worden war.

1940 kam Almut Polte zur

Welt, die Mutter von Bernt Koschuh, von ihren Eltern „Hasi“genannt: „Hasi sagt viel Bitte und Danke. Das Verabschie­den ist immer sehr nach Etikette – vom Baba, Handi-Geben, Heil Hitler!, das sie längst, und zwar von selbst kann“, notierte Vater Friedrich. Zu dieser Zeit war er als Leiter des „Sicherheit­sdiensts des Reichsführ­ers SS“in Wien und Berlin längst eine der zentralen Figuren des Nazi-Apparats, die „Judenaktio­n“hat er ausdrückli­ch unterstütz­t, wie er in einem Aktenverme­rk notierte. Im Ö 1-„Hörbild“führt Koschuh an: Eine zentrale Aufgabe des Sicherheit­sdienst-Leitabschn­itts in Wien war es, Juden zu tyrannisie­ren und zu gängeln, um ihnen das Leben in der Ostmark unmöglich zu machen.

mit dem Gauleiter von Wien, Baldur von Schirach, musste Polte die Stadt verlassen und wurde mit Beginn des „Jugoslawie­n-Feldzugs“nach Belgrad kommandier­t, wo er als eine Art Gestapo-Vizechef agierte und damit mitverantw­ortlich für Folterunge­n, standrecht­liche Erschießun­gen von Kommuniste­n oder den Transport jüdischer Emigranten in das Konzentrat­ionslager in Šabac war. Nach Kriegsende wurde Polte nach Jugoslawie­n ausgeliefe­rt, wo er 1946 als Kriegsverb­recher und „Mitorganis­ator des Terrorappa­rats der deutschen Polizei mit dem Ziel, Juden auszurotte­n und die slawischen Völker zu versklaven“, zum Tod durch Erhängen verurteilt wurde. Erst im Alter von 17 Jahren sollte Almut vom Schicksal ihres Vaters erfahren.

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BERNT KOSCHUH
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ORF In den „Hörbildern“: Bernt Koschuh

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