Kleine Zeitung Kaernten

Wo sind Tausende Afghanen geblieben?

Seit 2017 ist die afghanisch­e Bevölkerun­g in Österreich um 4500 Personen gewachsen. Indes stellten 54.000 Afghanen Asylanträg­e.

- Von Simon Rosner

ener Afghane, der Ende Februar in Wien drei Frauen erstochen hat, war mehr als ein Jahr in einem Kärntner Asylheim untergebra­cht. Drei Wochen vor der Tat hatte er sich abgemeldet, um vorgeblich in seine Heimat zurückzuke­hren. Laut eigener Auskunft habe er bereits ein Ticket gehabt, berichtet sein Anwalt Philipp Springer. Dann tauchte der Mann unter – und in Wien wieder auf. Rund zwei Wochen übernachte­te er bei einem afghanisch­en Freund, danach in einem Park. Bis er die Tat beging.

Ein Blick auf zwei Datensätze, nämlich auf die Bevölkerun­gsstatisti­k einerseits und die Asylstatis­tik anderersei­ts, wirft die Frage auf, ob nicht in Österreich sehr viele Afghanen untertauch­en. Seit 2017, nach der Fluchtkris­e, ist deren Bevölkerun­gszahl nur um 4500 Personen angewachse­n – auf den ersten Blick das logische Ergebnis von Addition und Subtraktio­n aus Geburten afghanisch­er Kinder (5300), Zuzug (12.000) sowie Wegzug (10.200) und Einbürgeru­ngen (2700). Wäre da nicht die

JAsylstati­stik des Innenminis­teriums: Denn im selben Zeitraum haben 54.000 Afghanen in Österreich um Schutz angesucht. Wo sind die alle hin?

Man kann sich der Antwort nur annähern. Nach Auskunft des Ministeriu­ms hat die Hälfte dieser 54.000 das Land „noch während des Verfahrens verlassen“. Dass Österreich zu einem Durchzugsl­and für afghanisch­e Migranten geworden ist, bestätigt auch Lukas Gahleitner­Gertz vom Verein Asylkoordi­nation. Die Weiterreis­e erfolge meist binnen weniger Wochen. Das ist wichtig, da in den Bevölkerun­gsdaten der Statistik Austria nur Personen erfasst werden, die mehr als drei Monate hauptgemel­det sind.

nur ein Teil der Erklärung sein. Wenn die Hälfte das Verfahren abwartet, beträfe das seit 2017 rund 25.000 Personen.

Die müssten irgendwann auch bei der Statistik Austria aufgeschla­gen sein. Eine Wohnsitzme­ldung erfolgt während des Verfahrens in der Grundverso­rgung. Aber auch bei Asylberech­tigten wird sie vorliegen, wenn sich diese um Arbeit oder Sozialhilf­e bemühen. Doch warum steigt die afghanisch­e Bevölkerun­gszahl kaum? Gahleitner-Gertz glaubt, dass der Anteil der Weiterreis­enden in Wirklichke­it deutlich höher ist.

Dass viele Asylwerber oder gar Asylberech­tigte untertauch­en, ist wenig plausibel. Sie würden Zugang zu staatliche­n Leistungen verlieren. „Der Anreiz, sich aus der Grundverso­rgung rauszubewe­gen, ist gering“, sagt der Politikwis­senschafte­r Albert Kraler, der sich an der Donau-Uni in Krems mit irreguläre­r Migration beschäftig­t. Dazu komme, dass ein Leben als Illegaler in Österreich schwierige­r als in anderen

noch 10.898 Personen, von denen nur wenige (700) abgeschobe­n wurden. Rund 1000 kehrten freiwillig zurück. Wo sind die restlichen 9000 Abgelehnte­n?

Wer ausreisepf­lichtig ist, fliegt zwar aus der Grundverso­rgung, doch ohne Abschiebem­öglichkeit werden die abgelehnte­n Asylwerber in Wien aus pragmatisc­hen Überlegung­en oft wieder aufgenomme­n – eben um Illegalitä­t und Wohnungslo­sigkeit zu vermeiden. Viele dürften es nicht sein. Im Februar waren in ganz Österreich 5433 Afghanen in Grundverso­rgung und 4491 Verfahren offen.

Nur in Wien ist die Community seit 2017 gewachsen (plus 7760), in der Steiermark schrumpfte sie von 6000 auf 5000 Personen. Dass abgelehnte Geflüchtet­e fast immer in andere EU-Staaten weiterzieh­en, ist anzunehmen. Wissen will es Österreich offenbar nicht.

 ?? ??
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria