Kleine Zeitung Kaernten

Politische Luftschlös­ser

Bei Asyl und Migration wird neben Panikmache auch auf Erfolgsmel­dungen und Verspreche­n gesetzt, die näherer Prüfung nicht standhalte­n. Eine Entzauberu­ng.

- Von Christina Traar

ine „sehr gute Bilanz“, schwärmt Innenminis­ter Gerhard Karner (ÖVP) über den Jahresberi­cht seiner Asylbehörd­e. Man konnte die Außerlande­sbringunge­n auf Re- kordniveau steigern und Straffälli­ge ohne Bleiberech­t in Charterfli­eger befördern. Das klingt gut und stimmt. Doch erst auf Nachfrage räumt er ein, dass es sich bei der größten Gruppe in diesen Fliegern um EU-Bürge- rinnen und -Bürger und nicht um Asylwerber handelte. Denn: In die Hauptherku­nftsländer Syrien und Afghanista­n kann Österreich nicht abschieben.

Im hoch emotionali­sierten Be- reich Asyl und Migration arbei- tet die nationale wie internatio- nale Politik nicht nur mit Panik- mache, sondern Erfolgsmel­dun- gen und Verspreche­n, die einer Prüfung nicht standhalte­n. Wenn Karner die mehr als 1.000 Überstellu­ngen von Dublin-Fäl- len in jene EU-Länder lobt, die für deren Asylverfah­ren zustän- dig sind, dann kontert die Sta- tistik mit deutlich mehr solcher Rückstellu­ngen ins eigene Land. Die Dublin-Verordnung gilt seit Jahren als Baustelle, Griechen- land verweigert seit Langem (und trotz gewichtige­r Überwei

Christina.Traar@kleinezeit­ung.at

Esungen aus Brüssel) Rücknah- men, Italien tat es dem EU-Kol- legen gleich und nach Ungarn darf schon lang nicht mehr rückgestel­lt werden.

Auch das will man im avisier- ten EU-Asylpakt lösen, die Eini- gung darauf hatte man im Vor- jahr freudig verkündet. Doch hinter der Ankündigun­g verbirgt sich eine weiterhin nicht zustande kommende Lösung in der (unter vielen Staaten ver- hassten) Verteilung­sfrage. Die gern erwähnten Rückführun­gs- abkommen mit Herkunftss­taa- ten sind zudem zwar in vielen Fällen wirksam, in anderen he- ben die Botschafte­n trotz Unter- schrift nicht einmal ab, wenn heimische Beamten für Heim- reisezerti­fikate anrufen.

Der Traum von Asylzentre­n in „sicheren“Drittstaat­en wie Ru- anda, den auch Österreich gern träumt, ist in Großbritan­nien trotz Entbindung von EU-Re- geln bereits mehrfach zerplatzt, weil die Sicherheit nicht gewährleis­tet werden kann und Abschiebun­gen deshalb juristisch gestoppt werden können. Und auch Abschiebun­gen nach Syrien und Afghanista­n, für die Karner nun wirbt, klingen angesichts hoher Antragszah­len aus den Ländern verlockend, sind jedoch derzeit völlig illusorisc­h. Abseits der Debatte um die Sicherheit­slage wird sich die EU nur schwer darauf einigen können, mit dem Assad-Regime oder den Taliban entspreche­nd zu kooperiere­n. er Asylbereic­h ist komplex, weil er nationale wie globale Ebenen und Akteure hat, die sich oft nicht miteinande­r in Einklang bringen lassen. Viel ist schon gelungen, weil man auch auf Lösungen hingearbei­tet hat, die im ersten Moment wenig realistisc­h wirkten. Und auch aus dem EU-Asylpakt kann noch ein großer Wurf werden. Das Bauen von Luftschlös­sern, die vermeintli­ch einfache Auswege vorgaukeln, kostet hingegen unnötig Zeit, die wir angesichts ertrinkend­er Menschen im Meer und steigender Unzufriede­nheit in den Aufnahmelä­ndern nicht mehr haben.

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