Politische Luftschlösser
Bei Asyl und Migration wird neben Panikmache auch auf Erfolgsmeldungen und Versprechen gesetzt, die näherer Prüfung nicht standhalten. Eine Entzauberung.
ine „sehr gute Bilanz“, schwärmt Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) über den Jahresbericht seiner Asylbehörde. Man konnte die Außerlandesbringungen auf Re- kordniveau steigern und Straffällige ohne Bleiberecht in Charterflieger befördern. Das klingt gut und stimmt. Doch erst auf Nachfrage räumt er ein, dass es sich bei der größten Gruppe in diesen Fliegern um EU-Bürge- rinnen und -Bürger und nicht um Asylwerber handelte. Denn: In die Hauptherkunftsländer Syrien und Afghanistan kann Österreich nicht abschieben.
Im hoch emotionalisierten Be- reich Asyl und Migration arbei- tet die nationale wie internatio- nale Politik nicht nur mit Panik- mache, sondern Erfolgsmeldun- gen und Versprechen, die einer Prüfung nicht standhalten. Wenn Karner die mehr als 1.000 Überstellungen von Dublin-Fäl- len in jene EU-Länder lobt, die für deren Asylverfahren zustän- dig sind, dann kontert die Sta- tistik mit deutlich mehr solcher Rückstellungen ins eigene Land. Die Dublin-Verordnung gilt seit Jahren als Baustelle, Griechen- land verweigert seit Langem (und trotz gewichtiger Überwei
Christina.Traar@kleinezeitung.at
Esungen aus Brüssel) Rücknah- men, Italien tat es dem EU-Kol- legen gleich und nach Ungarn darf schon lang nicht mehr rückgestellt werden.
Auch das will man im avisier- ten EU-Asylpakt lösen, die Eini- gung darauf hatte man im Vor- jahr freudig verkündet. Doch hinter der Ankündigung verbirgt sich eine weiterhin nicht zustande kommende Lösung in der (unter vielen Staaten ver- hassten) Verteilungsfrage. Die gern erwähnten Rückführungs- abkommen mit Herkunftsstaa- ten sind zudem zwar in vielen Fällen wirksam, in anderen he- ben die Botschaften trotz Unter- schrift nicht einmal ab, wenn heimische Beamten für Heim- reisezertifikate anrufen.
Der Traum von Asylzentren in „sicheren“Drittstaaten wie Ru- anda, den auch Österreich gern träumt, ist in Großbritannien trotz Entbindung von EU-Re- geln bereits mehrfach zerplatzt, weil die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann und Abschiebungen deshalb juristisch gestoppt werden können. Und auch Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan, für die Karner nun wirbt, klingen angesichts hoher Antragszahlen aus den Ländern verlockend, sind jedoch derzeit völlig illusorisch. Abseits der Debatte um die Sicherheitslage wird sich die EU nur schwer darauf einigen können, mit dem Assad-Regime oder den Taliban entsprechend zu kooperieren. er Asylbereich ist komplex, weil er nationale wie globale Ebenen und Akteure hat, die sich oft nicht miteinander in Einklang bringen lassen. Viel ist schon gelungen, weil man auch auf Lösungen hingearbeitet hat, die im ersten Moment wenig realistisch wirkten. Und auch aus dem EU-Asylpakt kann noch ein großer Wurf werden. Das Bauen von Luftschlössern, die vermeintlich einfache Auswege vorgaukeln, kostet hingegen unnötig Zeit, die wir angesichts ertrinkender Menschen im Meer und steigender Unzufriedenheit in den Aufnahmeländern nicht mehr haben.
D