Verhandlungen: „Nur mit Russland unter neuer Führung möglich“
Das Wahlergebnis in Russland beschäftigt auch unsere Leser. Dass Putin wiedergewählt wurde, war vorhersehbar, meinen sie, und nehmen Bezug auf die Unterstützung Europas im Ukrainekrieg.
ehen wir der Realität ins Auge! Nach dem vorher- sehbaren Scheinwahler- folg in Russland gibt es aus westlicher Sicht nur eine Mög- lichkeit: Man muss die Ukraine so lange dabei unterstützen, den Status quo zu halten, bis Putin stirbt. Eine Verhandlungslösung ist nur mit einem Russ- land möglich, das unter neuer Führung – durchaus auch mit totalitärer Prägung – nichts von seinem „persönlichen Ego“ver- liert und so zur realistischen Verhandlungsbasis zurückkeh- ren kann. Putins Plan, die Ukrai- ne zu einem Teil Russlands zu machen, ist gescheitert, aber sein Ego lässt kein „Scheitern“zu und steht damit jeder für Eu- ropa akzeptablen Verhand- lungsbasis entgegen.
Wir müssen uns also als rea- listische Europäer darauf einstellen, dass wir bis zu Putins Ableben den „konventionellen“Ukrainekrieg auf Seiten der Ukraine weiter finanzieren und damit „am Leben halten“müs- sen. Die einzige Alternative da- zu wäre nämlich nur ein Atom- krieg und den kann sich – Gott sei Dank auf beiden Seiten – nie- mand ernsthaft wünschen!
SAbgekartetes Spiel
Der Prozentsatz stand schon vorher fest, alles andere wäre in einer Diktatur weltfremd. Warum machen Sie dieses Spiel mit und hinterfragen nicht gleich diesen Schwindel? Warum setzen Sie nicht einen Titel wie „Pu- tin ließ sich mit 88 Prozent be- stätigen, damit er bei der nächs- ten Wahlfarce noch Luft nach oben hat“? Auch spöttisch hätte man sich auseinandersetzen können. Man kann alles, nur diese Farce als Wahl zu bezeichnen, darf man nicht.
Nicht bei Putin betteln
In den Leserbriefen finden sich hartnäckig falsche Behauptungen zu Putin. Darf ich drei der häufigsten kommentieren?
1. Putin habe vor zwei Jahren Friedensgespräche in der Türkei vorgeschlagen, aber Großbritan- nien habe der Ukraine verboten (!), solche Gespräche zu führen. Eine plumpe Lüge Putins, für die es keine Evidenz gibt; er ließ sie gezielt durch Tausende seiner Agenten in westliche Medien einfließen.
2. Der Krieg sei durch die Nato- Osterweiterung verursacht wur- den. Eine These vor allem von antiamerikanisch Eingestell- ten. Falsch. Die Nato hat sich keineswegs an Russland heran- gedrängt, es waren unabhängi- ge Staaten der Comecon, die um Aufnahme in die Nato bettelten. Ein Säulenheiliger der Friedens- bewegung war Václav Havel, als er 2002 die Aufnahme der Tsche- chischen Republik in die Nato erreichte, sagte er: „1968 haben wir nicht gekämpft. Das nächste Mal werden wir kämpfen.“
3. Der Krieg müsse durch west- liche Mühen um Verhandlungen mit Putin beendet werden. Irr- tum. Das Betteln um Gespräche zeigt Putin die Schwäche des de- mokratischen Westens. Ein An- tanzen der EU-Politiker würde nur seine eitle Verachtung für uns steigern und ihn zu weiterer Brutalität ermutigen.
Und dann war noch die naive Hoffnung, nach der Kapitulati- on der Ukraine würde das Ster- ben aufhören. Nein, dann würde das Morden erst so richtig be- ginnen. Die Toten würde man in Hunderttausenden zählen. Univ.-Prof. i. R. Dr. Adi Wimmer, Keutschach
Zögerliche Haltung
Nun hat sich die EU auf Finan- zierung weiterer, dringender Waffenlieferungen an die Ukrai- ne geeinigt. Wenn man die lan- gen Einschulungszeiten für mo- derne elektronische Waffensys- teme berücksichtigt, so ist bei- nahe ein ganzes Jahr nutzlos verstrichen, in dem es Tausende Menschenopfer zu beklagen gibt. Die Ankündigung von Prä- sident Macron, EU-Soldaten in die Ukraine zu entsenden, finde ich nicht so verkehrt, nur sollten es fürs Erste Waffeninstrukto- ren zur Überbrückung der lan- gen Einschulungszeit sein. Un- genügend geschultes Waffen- personal macht moderne Aus- rüstung nutzlos und ist zudem gefährlich. Danach kann man Spezialkommandos als unter- stützende, kämpfende Truppe entsenden. Langes Abwarten stärkt Putin und er wird da- durch immer dreister. Die zöger- liche Haltung des Westens Russland gegenüber, in Verbund mit dem Unterlaufen der wirtschaftlichen Sanktionen durch große Energie- und Bankenkonzerne, haben Putins Verbrechen mitfinanziert. Hermann
Wellisch, St. Lorenzen
Leitartikel „Der Krim-Jubiläumswahlsieg“, 18. 3.
Der Vergleich hinkt
Manche sind der Meinung, dass die Ukraine ganz einfach neutral werden sollte. Damit sind dann alle Probleme gelöst; so wie in der Schweiz! Sollte es jemals dazu kommen, dann nur durch eine Mehrheitsentscheidung der Ukrainer selbst! Niemand kann einem Land seinen Status diktieren! Schon gar nicht Putins Russland. Wenn die Ukraine jemals einen Antrag auf eine Natomitgliedschaft stellen sollte, dann ist das ganz allein die Angelegenheit von Ukraine und den Nato-Mitgliedern. So wie in Schweden und Finnland.
EU-Unterstützung
„Österreich macht sich sehr verwundbar“, 17. 3.
Die Nato hat keinen Friedensplan, aber möchte, dass die Ukraine selbst bestimmen kann, wie sie aus dieser Situation herauskommt, meint Militärexpertin Florence Gaub. Diese Sichtweise teilen viele europäische Politiker. Zustimmung könnte dies nur dann finden, wenn die Auswirkungen bloß auf beide Kriegsparteien beschränkt blieben. So ist es aber nicht. Der Ukrainekrieg hat wesentlich dazu beigetragen, dass Europa in die größte Krisenentwicklung seit dem Ende des Kal
ten Krieges hineinschlittert.
Eine weitere Argumentation vieler, Europa müsse auch zu- künftig die Ukraine in ihren Kriegsbemühungen unterstüt- zen, um nicht seine Glaubwür- digkeit zu verlieren, ist nun nicht mehr nachvollziehbar. Die Ukraine hat dank Europas Un- terstützung Erfolge erzielt, die ihr zu Beginn des Krieges nie- mand zugetraut hätte. Die Glaubwürdigkeit Europas wur- de somit schon bewiesen. Euro- päische Politiker haben ihre
Glaubwürdigkeit jetzt nicht mehr primär der Ukraine, son- dern den Bürgern Europas ge- genüber zu beweisen. Was nichts anderes bedeutet, als dass alle Anstrengungen zu un- ternehmen sind, um diesen Krieg zu beenden, um nicht noch weitere Ressourcen Europas, die dringend für anderes benötigt werden, zu verbrauchen, mit dem zusätzlichen Effekt, dass damit die Gefahr eines Flächen- brandes heraufbeschworen wird, der dann eintreten