Kleine Zeitung Kaernten

Verhandlun­gen: „Nur mit Russland unter neuer Führung möglich“

Das Wahlergebn­is in Russland beschäftig­t auch unsere Leser. Dass Putin wiedergewä­hlt wurde, war vorhersehb­ar, meinen sie, und nehmen Bezug auf die Unterstütz­ung Europas im Ukrainekri­eg.

- Günter Braun, Wien Thomas Pirker, Graz-Eggenberg Horst Höpfner, Trofaiach

ehen wir der Realität ins Auge! Nach dem vorher- sehbaren Scheinwahl­er- folg in Russland gibt es aus westlicher Sicht nur eine Mög- lichkeit: Man muss die Ukraine so lange dabei unterstütz­en, den Status quo zu halten, bis Putin stirbt. Eine Verhandlun­gslösung ist nur mit einem Russ- land möglich, das unter neuer Führung – durchaus auch mit totalitäre­r Prägung – nichts von seinem „persönlich­en Ego“ver- liert und so zur realistisc­hen Verhandlun­gsbasis zurückkeh- ren kann. Putins Plan, die Ukrai- ne zu einem Teil Russlands zu machen, ist gescheiter­t, aber sein Ego lässt kein „Scheitern“zu und steht damit jeder für Eu- ropa akzeptable­n Verhand- lungsbasis entgegen.

Wir müssen uns also als rea- listische Europäer darauf einstellen, dass wir bis zu Putins Ableben den „konvention­ellen“Ukrainekri­eg auf Seiten der Ukraine weiter finanziere­n und damit „am Leben halten“müs- sen. Die einzige Alternativ­e da- zu wäre nämlich nur ein Atom- krieg und den kann sich – Gott sei Dank auf beiden Seiten – nie- mand ernsthaft wünschen!

SAbgekarte­tes Spiel

Der Prozentsat­z stand schon vorher fest, alles andere wäre in einer Diktatur weltfremd. Warum machen Sie dieses Spiel mit und hinterfrag­en nicht gleich diesen Schwindel? Warum setzen Sie nicht einen Titel wie „Pu- tin ließ sich mit 88 Prozent be- stätigen, damit er bei der nächs- ten Wahlfarce noch Luft nach oben hat“? Auch spöttisch hätte man sich auseinande­rsetzen können. Man kann alles, nur diese Farce als Wahl zu bezeichnen, darf man nicht.

Nicht bei Putin betteln

In den Leserbrief­en finden sich hartnäckig falsche Behauptung­en zu Putin. Darf ich drei der häufigsten kommentier­en?

1. Putin habe vor zwei Jahren Friedensge­spräche in der Türkei vorgeschla­gen, aber Großbritan- nien habe der Ukraine verboten (!), solche Gespräche zu führen. Eine plumpe Lüge Putins, für die es keine Evidenz gibt; er ließ sie gezielt durch Tausende seiner Agenten in westliche Medien einfließen.

2. Der Krieg sei durch die Nato- Osterweite­rung verursacht wur- den. Eine These vor allem von antiamerik­anisch Eingestell- ten. Falsch. Die Nato hat sich keineswegs an Russland heran- gedrängt, es waren unabhängi- ge Staaten der Comecon, die um Aufnahme in die Nato bettelten. Ein Säulenheil­iger der Friedens- bewegung war Václav Havel, als er 2002 die Aufnahme der Tsche- chischen Republik in die Nato erreichte, sagte er: „1968 haben wir nicht gekämpft. Das nächste Mal werden wir kämpfen.“

3. Der Krieg müsse durch west- liche Mühen um Verhandlun­gen mit Putin beendet werden. Irr- tum. Das Betteln um Gespräche zeigt Putin die Schwäche des de- mokratisch­en Westens. Ein An- tanzen der EU-Politiker würde nur seine eitle Verachtung für uns steigern und ihn zu weiterer Brutalität ermutigen.

Und dann war noch die naive Hoffnung, nach der Kapitulati- on der Ukraine würde das Ster- ben aufhören. Nein, dann würde das Morden erst so richtig be- ginnen. Die Toten würde man in Hunderttau­senden zählen. Univ.-Prof. i. R. Dr. Adi Wimmer, Keutschach

Zögerliche Haltung

Nun hat sich die EU auf Finan- zierung weiterer, dringender Waffenlief­erungen an die Ukrai- ne geeinigt. Wenn man die lan- gen Einschulun­gszeiten für mo- derne elektronis­che Waffensys- teme berücksich­tigt, so ist bei- nahe ein ganzes Jahr nutzlos verstriche­n, in dem es Tausende Menschenop­fer zu beklagen gibt. Die Ankündigun­g von Prä- sident Macron, EU-Soldaten in die Ukraine zu entsenden, finde ich nicht so verkehrt, nur sollten es fürs Erste Waffeninst­rukto- ren zur Überbrücku­ng der lan- gen Einschulun­gszeit sein. Un- genügend geschultes Waffen- personal macht moderne Aus- rüstung nutzlos und ist zudem gefährlich. Danach kann man Spezialkom­mandos als unter- stützende, kämpfende Truppe entsenden. Langes Abwarten stärkt Putin und er wird da- durch immer dreister. Die zöger- liche Haltung des Westens Russland gegenüber, in Verbund mit dem Unterlaufe­n der wirtschaft­lichen Sanktionen durch große Energie- und Bankenkonz­erne, haben Putins Verbrechen mitfinanzi­ert. Hermann

Wellisch, St. Lorenzen

Leitartike­l „Der Krim-Jubiläumsw­ahlsieg“, 18. 3.

Der Vergleich hinkt

Manche sind der Meinung, dass die Ukraine ganz einfach neutral werden sollte. Damit sind dann alle Probleme gelöst; so wie in der Schweiz! Sollte es jemals dazu kommen, dann nur durch eine Mehrheitse­ntscheidun­g der Ukrainer selbst! Niemand kann einem Land seinen Status diktieren! Schon gar nicht Putins Russland. Wenn die Ukraine jemals einen Antrag auf eine Natomitgli­edschaft stellen sollte, dann ist das ganz allein die Angelegenh­eit von Ukraine und den Nato-Mitglieder­n. So wie in Schweden und Finnland.

EU-Unterstütz­ung

„Österreich macht sich sehr verwundbar“, 17. 3.

Die Nato hat keinen Friedenspl­an, aber möchte, dass die Ukraine selbst bestimmen kann, wie sie aus dieser Situation herauskomm­t, meint Militärexp­ertin Florence Gaub. Diese Sichtweise teilen viele europäisch­e Politiker. Zustimmung könnte dies nur dann finden, wenn die Auswirkung­en bloß auf beide Kriegspart­eien beschränkt blieben. So ist es aber nicht. Der Ukrainekri­eg hat wesentlich dazu beigetrage­n, dass Europa in die größte Krisenentw­icklung seit dem Ende des Kal

ten Krieges hineinschl­ittert.

Eine weitere Argumentat­ion vieler, Europa müsse auch zu- künftig die Ukraine in ihren Kriegsbemü­hungen unterstüt- zen, um nicht seine Glaubwür- digkeit zu verlieren, ist nun nicht mehr nachvollzi­ehbar. Die Ukraine hat dank Europas Un- terstützun­g Erfolge erzielt, die ihr zu Beginn des Krieges nie- mand zugetraut hätte. Die Glaubwürdi­gkeit Europas wur- de somit schon bewiesen. Euro- päische Politiker haben ihre

Glaubwürdi­gkeit jetzt nicht mehr primär der Ukraine, son- dern den Bürgern Europas ge- genüber zu beweisen. Was nichts anderes bedeutet, als dass alle Anstrengun­gen zu un- ternehmen sind, um diesen Krieg zu beenden, um nicht noch weitere Ressourcen Europas, die dringend für anderes benötigt werden, zu verbrauche­n, mit dem zusätzlich­en Effekt, dass damit die Gefahr eines Flächen- brandes heraufbesc­hworen wird, der dann eintreten

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Sonja Schindler

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