Wurde sie übersehen, die Behinderung?
Wenn Mütter gegen den Zeitgeist protestieren.
r hat sich auf den Schulschikurs gefreut, wie alle Schüler. Am ersten Tag wurde ihm dann gesagt: Einzelunterricht statt Gruppe. Der Grund? Das 21. Chromosom von Michael ist dreifach vorhanden. Er sei, schreibt die Mutter, traurig gewesen. Zumal er zuvor in einem Schikurs in einer Gruppe gefahren ist. Eine Bagatelle? Nur erwähnenswert, weil diese Woche mit dem 21. 3., dem Welt-Down-Syndrom-Tag, ein Weckruf sein sollte? Ein Weckruf, Menschen mit Down-Syndrom als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft wahrzunehmen, wie es sich die Mutter eines betroffenen Mädchens gewünscht hat. Eine Mutter, die allen ausrichten ließ, kein Mitleid zu brauchen, weil Menschen nicht an Down-Syndrom leiden würden. Sie hätten die gleichen Wünsche wie alle anderen, ihre Tochter wolle arbeiten, Geld verdienen.
Ob solche Aussagen gehört werden wollen? Eigentlich nicht. Wie anders wäre erklärbar, dass Mütter gefragt werden, „ob sie übersehen wurde, die Behinderung“. Wie anders wäre erklärbar, dass ein Film, in dem Kinder mit DownSyndrom erzählen, was sie glücklich mache, in Frankreich nicht gezeigt werden durfte. Warum? Weil das Glück der Kinder das Gewissen schwangerer Frauen vor der Entscheidung eines Abbruchs belasten könnte. Im Klartext: Information über Down-Syndrom unerwünscht. Die wenigsten, meinte die Mutter dieses Mädchens mit Trisomie 21, wüssten, welche Lebensfreude diese Kinder hätten. Was sie störte? Der Zeitgeist, der soziale Druck, behindertes Leben zu beenden. „Wollen Sie einen Kaffee?“, fragte mich ihre Tochter, damals 24, lachend. nfangs im Spital, erzählte sie, sei es hart gewesen. Da habe sie noch nicht gewusst, welche Lebenskraft ihr die Tochter schenken werde. Sie hätte sich auch nie vorstellen können, wie einfühlsam sie sein wird. Als sie noch ein Kind war, hat die Mutter einmal fünf Katzen, die nach einer Frühgeburt gestorben sind, in einer Schachtel vergraben. Die Elfjährige hat sie wieder ausgegraben, neben die Katze gelegt und gesagt: „Mama, die Katze muss sich von ihren Kindern verabschieden können.“
Was diese Mutter als größtes Manko der Gesellschaft empfindet? Dass sie das Anderssein nicht verstehen kann.
EA