„Es fehlt nicht Geld, sondern Zuversicht“
Die Konsumenten sollten die Konjunktur stützen. Nur sind die Menschen, auch wenn sie mehr Geld in der Tasche haben, derzeit offenbar nicht in Spendierlaune.
ir haben die Vertrauenskrise unterschätzt.“Wifo-Chef Gabriel Felbermayr ist bei der neuesten Konjunkturprognose selbstkritisch: „Enttäuschend“sei der private Konsum zuletzt verlaufen – so ganz gegen die Erwartungen des Wirtschaftsforschungsinstituts.
Es könnten die vielen Krisen oder die Erfahrung des Energiepreisschocks sein, die die Menschen lieber sparen lassen. Die Gehaltsabschlüsse im Herbst waren jedenfalls hoch, die Nettoreallöhne sollen heuer um 5,2 Prozent zulegen.
Ganz anders als das Wifo stellt das Institut für Höhere Studien IHS seine jüngste Konjunkturprognose unter den Titel „Privater Konsum stützt die langsam anziehende Konjunktur“. Einig sind sich die Institute darin, die Wachstumsprognose für heuer deutlich zu senken. Statt knapp unter einem Prozent soll Österreichs Wirtschaftswachstum heuer mit nur 0,2 Prozent (Wifo) oder 0,5 Prozent (IHS) knapp an der Nulllinie entlangschrammen. Die Industrie war schon 2023 in der Rezession. Die Bauwirtschaft erlebt gerade die tiefste Krise seit Jahrzehnten. Zudem schwillt die Zahl der Insolvenzen gerade zu einer Pleitewelle an.
Mit schnellen Effekten aus der im Juni erhofften Zinswende
Wder EZB sowie dem in Österreich geschnürten Wohnbaupaket rechnen die Ökonomen nicht. 2025 erwarten IHS und Wifo Wachstum von 1,5 bis 1,8 Prozent. Felbermayr glaubt, dass die Konjunkturschwäche „stark mit psychologischen Faktoren zu tun hat“. Er sieht die Sozialpartner gefordert, „Sicherheit zu geben“. Er sagt: „Den Haushalten fehlt es nicht an Geld, sondern an Zuversicht.“
an ein leichtes Wiederanspringen der Konjunktur im zweiten Halbjahr. „Wir haben uns entschieden, die Aufhellung der Konjunktur hervorzuheben,“so IHS-Chef Holger Bonin. Im Vergleich zu Deutschland habe Österreich viel weniger strukturelle Probleme. Sorge mache ihm die schlechte Stimmung in Österreichs Industrie, obwohl sie weit besser dastehe als die deutsche. In Österreich gehe es jetzt darum, „Zeichen“zu setzen, etwa mit Bürokratieabbau im Gegenzug zum umstrittenen Lieferkettengesetz. Investitionen schneller abschreiben zu können, sei auch ein möglicher Schritt. „Gift“sei die Verunsicherung, „ob und in welcher Form man in Österreich Vermögen besteuern könnte“.
Wifo-Chef Felbermayr adressiert an die Politik, Österreichs Qualität als Wirtschaftsstandort ins Zentrum zu stellen. 2023 seien die Lohnstückkosten um zwölf Prozent gestiegen, heuer
kämen weitere zehn Prozent dazu, 2025 noch einmal zwei Prozent. Dann werde sich Österreichs Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu 2019 gegenüber relevanten Handelspartnern um sechs Prozent verschlechtert haben. Die Industrie werde nach minus drei Prozent auch heuer um 1,5 Prozent schrumpfen. Die Arbeitslosigkeit in Österreich nimmt langsam zu, heuer steigt sie voraussichtlich auf 6,7 bis 6,9 Prozent an.
Der Blick auf den wichtigen Handelspartner Deutschland ist sehr besorgt. Felbermayr: „Deutschland darf nicht noch weiter abrutschen.“Ein Teil der schlechten Stimmung in Österreich komme aus Deutschland. Die Unsicherheiten in der Weltwirtschaft sind so groß wie seit Jahrzehnten nicht. Die Bildung neuer Blöcke, die mögliche Rückkehr der USA zu einer aggressiven Außenwirtschaftspolitik bedeuten für Europa große Herausforderungen. Felbermayr: „Der Binnenmarkt ist noch bei Weitem nicht so, wie er sein müsste.“Dafür solle sich Österreich massiv einsetzen.
Elementar sei dabei die Schaffung einer Kapitalmarktunion. Europas Landschaft der Börsenplätze, an denen Kapital für Investitionen aufgebracht wird, sei kleinteilig zersplittert, was Investoren abschreckt. „Wenn man die Kapitalmarktunion nicht hinkriegt, müssen die Bürger aufstehen“, so der Wifo-Chef. Die anstehenden Investitionen mit einem neuen Energiesystem seien so groß, so Felbermayr, „wenn wir das mit einer verzwergten Kapitalmarktlandschaft machen, wird das für uns alle sehr teuer“.