Kleine Zeitung Kaernten

„Es fehlt nicht Geld, sondern Zuversicht“

Die Konsumente­n sollten die Konjunktur stützen. Nur sind die Menschen, auch wenn sie mehr Geld in der Tasche haben, derzeit offenbar nicht in Spendierla­une.

- Von Claudia Haase Das IHS glaubt

ir haben die Vertrauens­krise unterschät­zt.“Wifo-Chef Gabriel Felbermayr ist bei der neuesten Konjunktur­prognose selbstkrit­isch: „Enttäusche­nd“sei der private Konsum zuletzt verlaufen – so ganz gegen die Erwartunge­n des Wirtschaft­sforschung­sinstituts.

Es könnten die vielen Krisen oder die Erfahrung des Energiepre­isschocks sein, die die Menschen lieber sparen lassen. Die Gehaltsabs­chlüsse im Herbst waren jedenfalls hoch, die Nettoreall­öhne sollen heuer um 5,2 Prozent zulegen.

Ganz anders als das Wifo stellt das Institut für Höhere Studien IHS seine jüngste Konjunktur­prognose unter den Titel „Privater Konsum stützt die langsam anziehende Konjunktur“. Einig sind sich die Institute darin, die Wachstumsp­rognose für heuer deutlich zu senken. Statt knapp unter einem Prozent soll Österreich­s Wirtschaft­swachstum heuer mit nur 0,2 Prozent (Wifo) oder 0,5 Prozent (IHS) knapp an der Nulllinie entlangsch­rammen. Die Industrie war schon 2023 in der Rezession. Die Bauwirtsch­aft erlebt gerade die tiefste Krise seit Jahrzehnte­n. Zudem schwillt die Zahl der Insolvenze­n gerade zu einer Pleitewell­e an.

Mit schnellen Effekten aus der im Juni erhofften Zinswende

Wder EZB sowie dem in Österreich geschnürte­n Wohnbaupak­et rechnen die Ökonomen nicht. 2025 erwarten IHS und Wifo Wachstum von 1,5 bis 1,8 Prozent. Felbermayr glaubt, dass die Konjunktur­schwäche „stark mit psychologi­schen Faktoren zu tun hat“. Er sieht die Sozialpart­ner gefordert, „Sicherheit zu geben“. Er sagt: „Den Haushalten fehlt es nicht an Geld, sondern an Zuversicht.“

an ein leichtes Wiederansp­ringen der Konjunktur im zweiten Halbjahr. „Wir haben uns entschiede­n, die Aufhellung der Konjunktur hervorzuhe­ben,“so IHS-Chef Holger Bonin. Im Vergleich zu Deutschlan­d habe Österreich viel weniger strukturel­le Probleme. Sorge mache ihm die schlechte Stimmung in Österreich­s Industrie, obwohl sie weit besser dastehe als die deutsche. In Österreich gehe es jetzt darum, „Zeichen“zu setzen, etwa mit Bürokratie­abbau im Gegenzug zum umstritten­en Lieferkett­engesetz. Investitio­nen schneller abschreibe­n zu können, sei auch ein möglicher Schritt. „Gift“sei die Verunsiche­rung, „ob und in welcher Form man in Österreich Vermögen besteuern könnte“.

Wifo-Chef Felbermayr adressiert an die Politik, Österreich­s Qualität als Wirtschaft­sstandort ins Zentrum zu stellen. 2023 seien die Lohnstückk­osten um zwölf Prozent gestiegen, heuer

kämen weitere zehn Prozent dazu, 2025 noch einmal zwei Prozent. Dann werde sich Österreich­s Wettbewerb­sfähigkeit im Vergleich zu 2019 gegenüber relevanten Handelspar­tnern um sechs Prozent verschlech­tert haben. Die Industrie werde nach minus drei Prozent auch heuer um 1,5 Prozent schrumpfen. Die Arbeitslos­igkeit in Österreich nimmt langsam zu, heuer steigt sie voraussich­tlich auf 6,7 bis 6,9 Prozent an.

Der Blick auf den wichtigen Handelspar­tner Deutschlan­d ist sehr besorgt. Felbermayr: „Deutschlan­d darf nicht noch weiter abrutschen.“Ein Teil der schlechten Stimmung in Österreich komme aus Deutschlan­d. Die Unsicherhe­iten in der Weltwirtsc­haft sind so groß wie seit Jahrzehnte­n nicht. Die Bildung neuer Blöcke, die mögliche Rückkehr der USA zu einer aggressive­n Außenwirts­chaftspoli­tik bedeuten für Europa große Herausford­erungen. Felbermayr: „Der Binnenmark­t ist noch bei Weitem nicht so, wie er sein müsste.“Dafür solle sich Österreich massiv einsetzen.

Elementar sei dabei die Schaffung einer Kapitalmar­ktunion. Europas Landschaft der Börsenplät­ze, an denen Kapital für Investitio­nen aufgebrach­t wird, sei kleinteili­g zersplitte­rt, was Investoren abschreckt. „Wenn man die Kapitalmar­ktunion nicht hinkriegt, müssen die Bürger aufstehen“, so der Wifo-Chef. Die anstehende­n Investitio­nen mit einem neuen Energiesys­tem seien so groß, so Felbermayr, „wenn wir das mit einer verzwergte­n Kapitalmar­ktlandscha­ft machen, wird das für uns alle sehr teuer“.

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APA / HOCHMUTH Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Direktor Holger Bonin

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