Kleine Zeitung Kaernten

Körperspra­che ist nicht immer ehrlich

Die Kunst der sozialen Kompetenz liegt oft im richtigen Lächeln zur richtigen Zeit.

- Stefan Verra

ie Kollegin kommt mit hängenden Schultern aus dem Chefbüro raus, da rattert es sofort in unserer Birne. Hat sie schlechte Nachrichte­n erhalten? Der Mann kommt freudestra­hlend vom Männer- abend heim, da ist natürlich Skepsis angebracht für die routiniert­e Ehefrau. Ein Blick, die Mundmimik oder eine Körperhalt­ung löst in unserem Gehirn sofort eine Einord- nung aus. Aber sind solche Einordnung­en immer verlässlic­h? Ist die Körperspra­che immer ehrlich? Kurze Antwort: Ja, aber! Nur im Kleinkinda­lter. Dann nämlich sind die frontalen Stirnlappe­n noch nicht voll entwickelt. Somit ist es dem Kind nicht möglich, seine Gefühle zu unterdrück­en oder zu überspiele­n.

Sind wir diesem Alter entwachsen, können wir das sehr, sehr gut. Und wissen Sie was? Es ist auch gut so. Denn manchmal ist es für uns von Vorteil, unsere Gefühle nicht direkt nach außen zu zeigen. Wenn der Chef kommt, muss man den Kleinkrieg mit dem Kollegen nicht direkt offen austragen. Man gibt sich freundlich und entspannt. Warum? Weil der Streit ein

Dnachhalti­g schlechtes Bild auf einen selbst werfen würde. Und wir können eben abschätzen, dass die Folgen davon mehr Energie kosten, als den Kleinstrei­t vorerst zu überspiele­n. Es läutet an der Türe? Der Nachbar muss nicht am Gesicht ablesen, dass der Partner gerade nicht verstehen will, dass er im Unrecht ist. Und Eltern wissen, wie schnell sie ihre Mimik und Gestik verändern, um vor den Kindern den Ehestreit nicht lauthals auszutrage­n. Wir können alle unsere Körperspra­che so weit kontrollie­ren, dass man nach außen anders wirkt, als man sich innerlich fühlt. Eine hohe soziale Fähigkeit.

Ja, es muss Momente in unserem Leben geben, wo wir Ärger, Frust und Trauer auch ausleben können. Manchmal hilft es, diesen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Allerdings: Das unselektiv zu machen und sich damit besonders „authentisc­h“vorzukomme­n, ist ein Zeichen von mangelnder Empathie.

Wir sind nicht verpflicht­et, jeden Menschen an unserem Ärger teilhaben zu lassen. Das gilt auch für die Körperspra­che.

ist Körperspra­che-Experte

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