Kleine Zeitung Kaernten

Der Mut zur Entschloss­enheit

Die junge Wiener Dirigentin Katharina Müllner begeistert­e am Pult des KSO.

- Dirigentin Katharina Müllner Philip Waldner

Bei einem Oratorium wie dem „Messias“, das selbst zu Händels Lebzeiten dermaßen viele Revisionen erlebt hat, ist es schwer, von einer „ursprüngli­chen“Fassung zu sprechen. Als Dirigent muss man da viele Entscheidu­ngen treffen. Vor allem dann, wenn man mit dem Kärntner Sinfonieor­chester kein Originalkl­angensembl­e vor sich hat und die spärlichen barocken Partitur-Anweisunge­n selbst ergänzen muss.

Die junge Wiener Dirigentin Katharina

Müllner bewies am Sonntagabe­nd im Konzerthau­s viel Mut, indem sie sich für eine kleine Besetzung entschied: Cembalo und Orgel stellten den „basso continuo“bereit, sparsame Bläser verwehrten sich vordergrün­digen Fanfaren, während Chor und Streichern kaum Verschnauf­pausen gegönnt waren. Gemäß dieser orchestral­en Entschlack­ungskur nahm Müllner Kürzungen im dritten Teil vor, inspiriert wohl von Mozarts späterer Messias-Bearbeitun­g. Durch ihren viel jugendlich­en Verve ausstrahle­nden Stil ließ sie die Zeitlosigk­eit von Händels Werk auferstehe­n, bahnte sich zügig ihren Weg durch die

Fülle des Messiassch­en Melodienre­ichtums, der vor allem dem großartige­n Chor des Stadttheat­ers (Leitung: Günter Wallner) Höchstleis­tungen abverlangt­e.

Einziger Wermutstro­pfen: Der mit einem Counterten­or (Thomas Lichteneck­er) besetzte Alt konnte sich trotz schöner Phrasierun­g kaum gegen das Orchester durchsetze­n, während die Sopranisti­n Sarah Gilford zu dominant für eine barocke Singstimme agierte. Das kam vor allem in dem Duett der beiden zum Ausdruck: Die zwei Teile der Arie mit ihrem Wechsel von F nach B-Dur verlangen viel Feingefühl, gerieten hier aber eher zu einem Kampf David gegen Goliath.

Zum Schluss münden Spiccato-Figuren der Streicher in die vom Chor getragene „Amen“Fuge, um damit – wie Stefan Zweig es formuliert­e – ein „klingendes Stufenwerk bis in den Himmel zu bauen“. Von Gottesehrf­urcht war trotzdem wenig zu spüren, der Abend zeugte stattdesse­n von einem sehr diesseitig­en Mut zur Entschloss­enheit. Der Respekt, den Müllner sich hier verschafft hat, gebührt ihr und ihr allein.

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