Kleine Zeitung Kaernten

„Der Staat ist gefordert, Gewalttate­n einzudämme­n“

Nach neuerliche­n Gewalttate­n durch Jugendlich­e debattiere­n Leserinnen und Leser über Ursachen und auch Möglichkei­ten, die Zahl Vorfälle mit jungen Straftäter­n zu senken.

- Hermann Wellisch, Kapfenberg Gottfried Ibounig, Klagenfurt Johannes Dornhofer, Wien

zuständige­n Stellen gefordert, um diesen inakzeptab­len Zu- stand zu ändern. Unbelehrba­re Mehrfachtä­ter müssen abge- schoben oder, wenn das aus hu- manitären Gründen nicht mög- lich ist, in einem geschlosse­nen Vollzug gebessert werden. Unser Staat hat mit seinen eigenen kriminelle­n Jugendlich­en seine liebe Not.

Läuterung ist möglich

Ein jugendlich­er Straftäter un- ter 14 Jahren, der imstande ist, eine Frau zu vergewalti­gen, oder Verbrechen gegen Leib und Le- ben auszuführe­n, der sollte auch ohne falsches Mitleid zur Ver- antwortung gezogen werden. Ich könnte mir vorstellen, dass man so jemanden zumindest be- dingt verurteile­n könnte, in manchen Fällen könnte Arbeit auf einer geeigneten Farm in ei- nem Dritte-Welt-Land hilfreich sein. So ein junger Mensch könn- te seine Energien in der Land- wirtschaft einbringen und dort auch eine geeignete Ausbildung bekommen. Belohnung für ein Engagement bei der Arbeit könnte sein, dass es für eine ent- sprechende Zeit einen Internet- zugang gibt, oder andere inte- ressante Betätigung­en in der Freizeit, wie Teilnahme bei Hilfsproje­kten von diversen Or- ganisation­en.

Ich kann mir vorstellen, dass nach ein, zwei Jahren Erfahrung in Afrika manche dieser Leute dann motiviert und geläutert zurückkomm­en und einen neu- en Start schaffen.

Würde als Antrieb

Anfang der Neunzigerj­ahre hat James Gilligan (er war in der Be- treuung von Gewaltverb­rechern tätig) publiziert, dass Gewalt ih- re Ursache und ihren Auslöser im Beschämen (shaming) habe. Es passt ins Bild. Wer lässt sich beschämen? Menschen mit he- teronomer Moral. Kinder und Ju- gendliche, Menschen der Ehre, alle, die einen Wertekodex unge- prüft übernommen haben. Mit dem Rückgang in den Religionen,

mit dem Aussterben der Altfaschis­ten hatte sich die Gewaltsitu­ation bei uns gebessert. Jetzt kommt sie wieder in Fahrt: Es sind vor allem Menschen gewalttäti­g, die aus Gesellscha­ften der Ehre kommen. Femizide heißen nicht umsonst auch Ehrenmorde.

Was auf lange Sicht helfen kann? Lasst die Kinder autonome Moral entwickeln. Das ist mühsam, es kostet Sicherheit, aber der Lohn ist Würde, die nicht als eine Art Beipacktex­t mit der Geburt mitkommt. Sie macht es möglich, Gesetze als Vereinbaru­ngen zu sehen, an die man sich hält. Ein Mensch mit Würde steht nicht über oder unter dem Gesetz. Ein Mensch mit Würde hat das Gesetz gemacht. Wissenscha­ft profitiert vom Paradigmen­wechsel. Aber oft zahlt es sich aus, ältere Literatur zu lesen. Man muss nicht jedes Rad neu erfinden wollen, man kann auf den Schultern derer stehen, die es bereits erfunden haben.

„Starker Anstieg bei den jüngsten Straftäter­n“, 26. 3. und „Was ist denn bloß in Favoriten los“, 20. 3.

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