Fußball als Gegenentwurf
Die aktuellen Erfolge der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft entstehen aus einem starken Kollektiv heraus. Die Gesellschaft könnte von ihr lernen.
In Zeiten wie diesen werden sie mit beunruhigender Konsequenz vorgezeichnet, die Risse im System, gerade so, als sei die Spaltung der Gesellschaft ein zersetzender Dauerbrenner ohne Begleitschutz. Das liegt nicht zuletzt an der mutmaßlich überzogenen Darstellung der Extreme in den sozialen Ka- nälen. Vieles ist entgleitet und gehört tatsächlich in den Abfluss, aber die Auswüchse in den digitalen Netzwerken sind kein Abbild der Wirklichkeit, das be- legen Untersuchungen.
Auch der Fußball hatte erst kürzlich mit den unappetitli- chen Rapid-Aussetzern (Schmähgesänge) nicht gerade einen positiven Beitrag zu ei- nem würdevollen Miteinander geleistet. Doch die aktuellen Auftritte der österreichischen Nationalmannschaft sind ge- eignet, den auseinanderdriften- den Strömungen innerhalb der Gesellschaft entgegenzuwirken. Der unter Teamchef Ralf Rangnick gelebte Gemeinschafts- geist wirkt inzwischen, auch aufgrund der jüngsten Erfolge, mit Überzeugungskraft nach außen. Er kommt ganz und gar nicht weltfremd daher, wie fun- damentalistische Kitsch-Geg
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ner die Herangehensweise mög- licherweise interpretieren könn- ten.
Denn dies alles passiert im Hier und Jetzt, „auf dem Platz“, wie es in der Fachsprache so schön heißt, aber auch abseits davon. Der Einzelne ordnet sich ein, mit dem wunderbaren Ef- fekt, dass er darin nicht unter- geht, sondern aufblüht. Das Na- tionalteam hat sich als spiel- und charakterstarkes Kollektiv herauskristallisiert, das weit über den Selbstzweck hinaus in die Öffentlichkeit strahlt. Der gesellschaftspolitische Stellen- wert des Fußballs kann auf die- se Weise zu einem bedeutenden Faktor werden.
Ohne gleich die Euphorisie- rung in maßloser Übertreibung auf die Spitze treiben zu wollen, ist es schön, zu beobachten, wie das Volk an den Erfolgen teilha- ben kann. So wie Trainer und Spieler die Entwicklungsge- schichte der Mannschaft offensiv nach außen transportieren, hat die Bedeutung des Gemeinschaftlichen ein Vorbild-Potenzial, das eine Würdigung verdient. Nicht das Trennende, wie es in der Politik von so manchen Spaltpilzen in Menschengestalt in Hassprediger-Manier erbrochen wird, führt in die Spur, sondern das Verbindende. Die menschliche Komponente wird zum Leitfaden auf dem Erfolgsweg.
Der Fußball soll hier keineswegs eine Überbewertung erfahren, aber seine gesellschaftliche Rolle verdient im Zusammenhang mit dem aktuellen Erscheinungsbild der österreichischen Mannschaft gebührende Anerkennung. In der vorgetragenen Art und Weise bekommt auch der Nationalstolz durch die sportlichen Sympathieträger eine annehmbare Erscheinungsform. Die Stärke beruht auf dem Zusammenhalt und (neben dem fachlichen Können) auf Gewissenhaftigkeit. Eine Entscheidung für die Nationalmannschaft kann in diesem intensiven Wahljahr jedenfalls nicht schaden. Sie ist ein wohltuender Gegenentwurf zu den weitläufigen politischen Verirrungen.