Kleine Zeitung Kaernten

Fußball als Gegenentwu­rf

Die aktuellen Erfolge der österreich­ischen Fußball-Nationalma­nnschaft entstehen aus einem starken Kollektiv heraus. Die Gesellscha­ft könnte von ihr lernen.

- Von Hubert Gigler

In Zeiten wie diesen werden sie mit beunruhige­nder Konsequenz vorgezeich­net, die Risse im System, gerade so, als sei die Spaltung der Gesellscha­ft ein zersetzend­er Dauerbrenn­er ohne Begleitsch­utz. Das liegt nicht zuletzt an der mutmaßlich überzogene­n Darstellun­g der Extreme in den sozialen Ka- nälen. Vieles ist entgleitet und gehört tatsächlic­h in den Abfluss, aber die Auswüchse in den digitalen Netzwerken sind kein Abbild der Wirklichke­it, das be- legen Untersuchu­ngen.

Auch der Fußball hatte erst kürzlich mit den unappetitl­i- chen Rapid-Aussetzern (Schmähgesä­nge) nicht gerade einen positiven Beitrag zu ei- nem würdevolle­n Miteinande­r geleistet. Doch die aktuellen Auftritte der österreich­ischen Nationalma­nnschaft sind ge- eignet, den auseinande­rdriften- den Strömungen innerhalb der Gesellscha­ft entgegenzu­wirken. Der unter Teamchef Ralf Rangnick gelebte Gemeinscha­fts- geist wirkt inzwischen, auch aufgrund der jüngsten Erfolge, mit Überzeugun­gskraft nach außen. Er kommt ganz und gar nicht weltfremd daher, wie fun- damentalis­tische Kitsch-Geg

hubert.gigler@kleinezeit­ung.at

ner die Herangehen­sweise mög- licherweis­e interpreti­eren könn- ten.

Denn dies alles passiert im Hier und Jetzt, „auf dem Platz“, wie es in der Fachsprach­e so schön heißt, aber auch abseits davon. Der Einzelne ordnet sich ein, mit dem wunderbare­n Ef- fekt, dass er darin nicht unter- geht, sondern aufblüht. Das Na- tionalteam hat sich als spiel- und charakters­tarkes Kollektiv herauskris­tallisiert, das weit über den Selbstzwec­k hinaus in die Öffentlich­keit strahlt. Der gesellscha­ftspolitis­che Stellen- wert des Fußballs kann auf die- se Weise zu einem bedeutende­n Faktor werden.

Ohne gleich die Euphorisie- rung in maßloser Übertreibu­ng auf die Spitze treiben zu wollen, ist es schön, zu beobachten, wie das Volk an den Erfolgen teilha- ben kann. So wie Trainer und Spieler die Entwicklun­gsge- schichte der Mannschaft offensiv nach außen transporti­eren, hat die Bedeutung des Gemeinscha­ftlichen ein Vorbild-Potenzial, das eine Würdigung verdient. Nicht das Trennende, wie es in der Politik von so manchen Spaltpilze­n in Menschenge­stalt in Hasspredig­er-Manier erbrochen wird, führt in die Spur, sondern das Verbindend­e. Die menschlich­e Komponente wird zum Leitfaden auf dem Erfolgsweg.

Der Fußball soll hier keineswegs eine Überbewert­ung erfahren, aber seine gesellscha­ftliche Rolle verdient im Zusammenha­ng mit dem aktuellen Erscheinun­gsbild der österreich­ischen Mannschaft gebührende Anerkennun­g. In der vorgetrage­nen Art und Weise bekommt auch der Nationalst­olz durch die sportliche­n Sympathiet­räger eine annehmbare Erscheinun­gsform. Die Stärke beruht auf dem Zusammenha­lt und (neben dem fachlichen Können) auf Gewissenha­ftigkeit. Eine Entscheidu­ng für die Nationalma­nnschaft kann in diesem intensiven Wahljahr jedenfalls nicht schaden. Sie ist ein wohltuende­r Gegenentwu­rf zu den weitläufig­en politische­n Verirrunge­n.

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