Zuversicht in den dunkelsten Momenten
Superintendent über das Leben voller Rätsel und das Geheimnis des Glaubens.
ie viel Geheimnis braucht der Mensch? Diese Frage stellt sich der bekannte Literaturwissenschaftler und Autor Wolfgang Müller-Funk. Er behauptet: „Eine Gesellschaft, in der es kein Geheimnis geben darf, ist ihrer ganzen Beschaffenheit nach totalitär.“Auch wenn unser Bedürfnis nach Transparenz sehr groß ist, wissen wir, dass nicht alles bis ins Letzte erklärbar ist. Unsere Gesellschaft empfindet sich zwar als besonders aufgeklärt, aber trotz Digitalisierung und KI bleibt das Leben voller Rätsel und Geheimnisse – Gott sei Dank! Besonders die Passionszeit führt uns mitten in das Geheimnis von Leiden, Sterben, Tod und Auferstehung.
Karfreitag bleibt ein Geheimnis. Die politischen und religiösen Gründe kennen wir: Jesus, der Unruhestifter, der die religiöse Führung infrage stellt und die Wechsler aus dem Tempel vertreibt. Er hat sich mit den Pharisäern und Schriftgelehrten angelegt. Er hat Partei ergriffen für Sünder und Volksfeinde. Er hat die alten Ordnungen infrage gestellt. Das hat Konsequenzen: Jesus wird verraten und gefangen genommen. Es wird mit ihm kurzer Prozess gemacht und er wird von Pontius Pilatus zum Tode verurteilt, zum Tode durch das Kreuz. ass Gott in seinem Sohn Jesus Christus nicht den Weg des Triumphes, sondern den Weg des Leidens geht, dass sein Tod Erlösung wirkt und uns von Schuld frei macht, kann rational nicht restlos aufgeklärt und erklärt werden. Es bleibt ein Geheimnis des Glaubens, aus dem wir hoffentlich Kraft und Zuversicht schöpfen können. Gott ist mit uns und bei uns: wenn wir leiden, wenn wir von einem geliebten Menschen Abschied nehmen oder selbst mit dem Sterben konfrontiert sind. Der Glaube und der Blick auf den Gekreuzigten zaubern die Schmerzen nicht weg, aber sie geben Kraft und stärken die Zuversicht, dass Gott an unserer Seite ist, mitleidet und in den dunkelsten Momenten unseres Lebens unser guter Hirte bleibt, der uns aufrichtet, durch alles Leid hindurchträgt und dass am Ende doch noch alles gut wird.
ist Superintendent der Diözese Kärnten/Osttirol der evangelischen Kirche.
WDSauer
„Aus dem Geheimnis des Glaubens können wir Kraft und Zuversicht schöpfen.“