Eine Verhaftung mit Brisanz
Die Verhaftung einer Schlüsselfigur im Spionagenetzwerk Russlands birgt auch innenpolitische Sprengkraft.
Österreich, so zitierte die „Financial Times“einen Diplomaten 2022, sei ein „Flugzeugträger“für russische Aktivitäten. Für Kenner der Alpenrepublik keine überraschende Diagnose. Doch der Angriffskrieg bewirkte einen neuen Blick auf die Verhältnisse. Die Welt war über Nacht eine andere geworden – sogar in Österreich.
Die Verhaftung des ehemali- gen Verfassungsschützers Egis- to Ott weist eine ungeheure Bri- sanz auf. Der Kärntner gilt als Schlüsselfigur rund um die – unter dem damaligen Innenminis- ter Herbert Kickl (FPÖ) und mit Mitwirkung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt- schaft – 2018 erfolgte Zerschla- gung des Bundesamts für Ver- fassungsschutz und Terroris- musbekämpfung. Dabei kursier- te spätestens seit 2017 der Verdacht, Ott und weitere BVT- Mitarbeiter würden für Russ- land spionieren. Doch es fehlte an handfesten Beweisen.
Das dürfte sich nun geändert haben. Geheimdienstinforma- tionen aus Großbritannien sol- len zur Verhaftung geführt ha- ben. Demnach verfügt Russland über die Handydaten dreier Spit- zenbeamter des Innenministeri
walter.haemmerle@kleinezeitung.at
ums, die 2017 vom Verfassungs- schutz selbst für irreparabel er- klärt wurden und Ott im Som- mer 2022 an Moskau übergeben haben soll. Damals war Wladi- mir Putins Krieg gegen den Westen schon heiß.
Mangelnde Vorstellungs- kraft, die Unterschätzung der Gefahr sowie die Neigung, den vergangenen Krieg, die vergan- gene Krise auszufechten, an- statt die Vorbereitungen für die nächste Krise zu treffen, nennt der US-britische Historiker Niall Ferguson als einige der wich- tigsten Ursachen dafür, warum wir so oft gefährliche Entwick- lungen ignorieren und verleugnen.
Diese Beschreibung passt auf den Umgang Europas und allen voran Österreichs mit Putins Russland. Ott und Co agierten nicht im luftleeren Raum. Gute Verbindungen zu Moskau pfleg- ten Politik wie Wirtschaft ganz selbstverständlich. Russlands
Konfrontationskurs mit dem Westen wird dabei zum Teil bis heute übersehen oder geleugnet. „Auch in Österreich stehen Politiker gewisser Parteien und Entscheidungsträger im Fokus der Russen, was Desinformation betrifft“, erklärte dazu kürzlich der Leiter des 2021 neu aufgebauten Verfassungsschutzes Omar Haijawi-Pirchner. Am augenscheinlichsten trifft das derzeit auf die FPÖ zu.
Die jüngsten Ereignisse machen allerdings deutlich, wie undurchschaubar und diffus das Netzwerk versteckter russischer Einflussnahme in Österreich nach wie vor ist. Hier endlich – mit Beweisen statt Verdächtigungen – Licht ins Dunkel zu bringen, ist hoch an der Zeit. Dabei birgt das Thema, zumal in einem Wahljahr, ungeheure innenpolitische Sprengkraft. n Österreich hatten und haben die Parteien bei den Geheimdiensten traditionell ihre Finger im Spiel. Wer benutzte – und benutzt bis heute – hier wen zu wessen Vorteil und auf wessen Kosten? Womöglich nähern wir uns nun langsam konkreten Antworten statt den bisherigen Nebelkerzen der Parteien.
I