Kleine Zeitung Kaernten

Die Wunder des Monsters im Wasser

Die Schwanzlur­ch-Art Axolotl lässt Körperteil­e einfach nachwachse­n. Forscherin Elly Tanaka begibt sich auf die Spur der Unzerstörb­arkeit.

- Von Anna Stockhamme­r

Im dritten Wiener Gemeindebe­zirk leben 3000 mexikanisc­he Schwanzlur­che. Auch bekannt als Axolotl. Ihre Herrin ist Elly Tanaka vom Forschungs­institut für Molekulare Pathologie (IMP). Bald wird sie mit ihren Tierchen übersiedel­n. Ab April leitet sie das benachbart­e Institut für Molekulare Biotechnol­ogie (IMBA) der Akademie der Wissenscha­ften. Auch dort wird sie mit ihrem Team die Axolotl unters Mikroskop nehmen – und ihnen mit winzigen Scheren die Gliedmaßen abschneide­n. Unter Betäubung, versteht sich. Dann heißt es beobachten und untersuche­n. Tanaka will hinter das Geheimnis des „Wassermons­ters“kommen. Denn die Möglichkei­t besteht, dass Menschen sich irgendwann nach dem Vorbild des Axolotl Beine und Arme nachwachse­n lassen können. wachsen. Ich bin in die Welt der Amphibien eingetauch­t und habe all die spannenden Dinge über sie erfahren. Ich war also schon ein Fan von Amphibien und bin dann auf Forscher gestoßen, die mit nachwachse­nden Körperteil­en von Salamander­n experiment­ieren. Schließlic­h bin ich auf den Axolotl gekommen. Wir können ihn im Labor züchten, bekommen jedes Mal 500 Eier und können die weißen Mutanten unter den Axolotl verwenden. Sie sind nicht bräunlich und grün, sondern pinkfarben, weil ihnen Pigmente fehlen. Durch die helle Haut sehen wir die Zellen gut.

Welche ungewöhnli­chen Superkräft­e hat dieses Tier?

Der Axolotl bleibt sein ganzes Leben lang in einer Art Larvenstad­ium. Er ist in der Lage, seinen Schwanz, sein Rückenmark, seine Beine und Arme, sein Kiefer und Teile seines Gehirns zu regenerier­en. Egal ob er jünger oder älter, kleiner oder größer ist, das Teil wächst in der richtigen Größe nach. Das ist erstaunlic­h! Für die Axolotl ist diese Regenerati­onsfähigke­it wichtig und von Vorteil, denn sie sind nicht sehr nett zueinander. Sie essen sich gegenseiti­g. Sie neigen dazu, nach allem zu schnappen, das sich bewegt. Wobei unklar ist, ob sie wissen, dass sie gerade ihren Freund essen oder ob sie es unabsichtl­ich tun.

Der Wundheilun­gsprozess bei Axolotl geht sehr schnell. Wenn wir ein Bein amputieren, dann wandern die Hautzellen innerhalb eines halben Tages zur Wunde. Wenn die Zellen sich nach einer Woche in Stammzelle­n verwandelt haben, nutzen sie die Gene und Proteine, die sie schon im Embryo-Prozess genutzt haben. Diese Zellen können in die Vergangenh­eit schauen. Sie rufen sich den Prozess in Erinnerung. Also das ganze Programm kommt zurück, aber in einer größeren Struktur. Innerhalb von ein paar Monaten ist das Bein nachgewach­sen.

Welches Potenzial liegt hier? Was ermutigend ist: Der Prozess, in dem ein Glied im Embryo gebildet wird, ist bei Axolotl und Menschen sehr ähnlich. Viele der Moleküle werden auf dieselbe Weise benutzt. In der Evolution hat es sich dann so entwickelt, das manche Tiere dazu fähig sind, ihre Gliedmaßen nachzuwach­sen und manche nicht. Aber die Gemeinsamk­eiten wurden in der Evolution konservier­t. Also könnte es eine Strategie sein, um einem Menschen einen Arm nachwachse­n lassen zu können, die Zellen dazu zu bringen, sich das Embryo-Programm in Erinnerung zu rufen. Das ist aber auch die Herausford­erung: Menschlich­e Zellen sind nicht so gut im Zurückgrei­fen auf dieses Programm.

Ich denke, es ist ein großes Thema, zu verstehen, wie Zellen sich selbst erhalten und wie sie sich erneuern. Denn Regenerati­on, so wie sie der Axolotl kann, ist ja auch Erneuerung. In der Zukunft wird das wichtig, zum Beispiel, was die Fertilität von Menschen angeht: Eizellen und Spermien müssen fit sein, um fruchtbar zu sein. Ich will auch, dass die Leute verstehen, dass das Schauen in die Natur uns sehr viel weiterbrin­gen kann.

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Ein Axolotl ist quasi unzerstörb­ar? Wie funktionie­rt das?

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