Fest der Hoffnung
Die Auferstehung war, ist und bleibt eine Glaubenssache. Sie hält aber auch eine allgemeingültige Botschaft bereit: Das Böse hat nicht das letzte Wort.
Ostern ist der Sieg des Lebens über den Tod. Aber die Wirklichkeit, mit der wir heute konfrontiert sind, steht dieser Botschaft diametral entgegen. In der Ukraine, im Nahen Osten und an Dutzenden weiteren Orten rund um den Globus herrscht Krieg. Es wird gekämpft, gelitten und gestorben. Menschen werden gefoltert, ver- stümmelt, verschleppt und ver- trieben. Kinder weinen um ihre Mütter und Väter, und Väter und Mütter beklagen ihre Kin- der. Das ist die Welt im ersten Drittel des 21. Jahrhunderts. Es ist eine schreckliche Welt. Es ist eine Welt, die sich niemand wünscht. Wie kann es da sein, dass der Tod eines Einzelnen vor 2000 Jahren diese Welt und die Menschheit erlöst haben soll?
„Am dritten Tage auferstan- den von den Toten“, heißt es im christlichen Glaubensbekennt- nis. Millionen Menschen beten es Tag für Tag. Ob es stimmt und Jesus von Nazareth tatsächlich von den Toten wiedergekehrt ist, entzieht sich jeder mensch- lichen Erkenntnismöglichkeit. Es ist eine Frage des Glaubens. Sie zu bejahen, ist eine individu- elle Entscheidung, die jeder für sich selber fällen darf.
stefan.winkler@kleinezeitung.at
Keine Frage des Glaubens, sondern ein historisches Fak- tum ist, dass die Welt zur Zeit Jesu nicht weniger grausam war als heute. In ihrer Serie „Die Pas- sion in sieben Objekten“hat die Theologin Theresia Heimerl in der Karwoche darüber berichtet, dass der römische Feldherr Cras- sus im Jahr 71 v. Chr. die Via Ap- pia entlang 6000 aufständische Sklaven ans Kreuz schlagen ließ. Und unumstritten ist, dass das qualvolle Sterben eines jüdi- schen Wanderpredigers und der Glaube an das, was danach kam, die Welt verändert hat wie kein Ereignis davor und danach.
Diese Zäsur betrifft keineswegs nur den Lauf der großen Menschheitsgeschichte. Ostern lässt die Menschen auch im Kleinen seither nicht mehr los. In seinem letzten Roman „Die Auferstehung“von 1899 erzählt Leo Tolstoi vom Fürsten Nechljudow, der, zu einem Pro- zess geladen, erkennen muss, dass die als Giftmischerin angeklagte Frau jenes Mädchen ist, das er acht Jahre davor verführt und schwanger hat sitzen lassen. Von Schuldgefühlen gepackt, folgt er der Verurteilten in die Verbannung nach Sibirien.
Es ist die Chronik der Läuterung eines Mannes, der das Böse nicht länger hinnehmen will. Alles daran ist fiktiv. Aber Geschichten wie diese schreibt auch das reale Leben. Vor Jahren erschien in der Kleinen Zeitung eine Reportage über einen Mann, der 1994 am Höhepunkt des Genozids in Ruanda die Kinder seiner Nachbarin erschlagen hatte. Um Sühne zu tun, half er nun der Frau bei der Feldarbeit. Sie ließ es zu. Zwar konnte sie nicht vergessen, was er getan hatte. Aber sie zweifelte nicht an der Echtheit seiner Reue. enn es eine an Ostern geknüpfte Hoffnung gibt, die – unabhängig von Glauben oder Nichtglauben – universale Gültigkeit hat, so ist es genau diese: Die Passion, wo immer sie sich bis zum heutigen Tag vielgestaltig in der Welt wiederholt, ist finstere Wirklichkeit. Und die Wölfe mögen momentan triumphieren. Aber sie haben nicht das letzte Wort.
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