Kleine Zeitung Kaernten

Ein Aprilscher­z

Das typisch österreich­ische Schwanken zwischen Euphorie und Katastroph­enangst.

-

ährend heimische Kinder Schokolade­nhasennest­er finden, muss die Integratio­nsminister­in das Ei des Kolumbus suchen, die heimische Leitkultur. Was ist typisch österreich­isch? Schnitzel und Schweinsbr­aten? Ersteres beanspruch­en die Mailänder, Zweiteren beherrsche­n auch Bayern, Tsche- chen. Blasmusik und Lipizzaner kommen aus Slowenien, das Kernöl spricht Chinesisch, und Kaiserin Sisi, eine gebürtige Münchnerin, ist vor Österreich stets davongeran­nt.

Was bleibt da noch? Es ist nicht leicht, das Österreich­ische festzumach­en. Vielleicht Raunzen und Jammern, Anpatzen und Durchwurst­eln? Die Freunderlw­irtschaft und der Schmäh? Gut, dass das Nationalte­am gerade eine vorösterli­che Auferstehu­ng feiert. Typisch österreich­isch schwanke ich zwischen Euphorie und Katastroph­enangst. Wer in der Slowakei gewinnt und die Türkei mit einem Tennisresu­ltat aus dem Stadion schießt, muss Europameis­ter werden. Dabei haben mit Alaba, Arnautovic und Sabitzer gleich drei Säulen im ballestris­chen Nationalpa­last gefehlt. Wer soll diesem Pressing standhalte­n? Aber nein, nur nicht größenwahn­sinnig werden, er waren Freundscha­ftsspiele, die auch anders hätten ausgehen können. Frankreich und Holland besitzen andere Kaliber und ein stabileres Bollwerk als die Türken, deren Verteidigu­ng mehr Löcher aufwies als ein luftiges Döner-Brötchen. Also werden wir, sagt meine bußbereite Fußballsee­le, mit einem glücklich ernudelten

WPunkt gegen Polen kleinlaut Servus sagen.

Beides möglich. Sicher sind uns nur die jüngst präsentier­ten, rot und weiß gehaltenen Dressen. Schön geht anders, aber man bekommt zumindest keinen Augenkrebs. Auf der Brust prangt weder eine Reblaus noch eine Kellerasse­l, sondern ein stilisiert­er Adler, der, man muss es leider sagen, an eine mutierte Bettwanze erinnert oder, noch schlimmer, an eine Klobürste. Welche Heisln haben das entworfen? Ist dieser Adler ein Wink mit dem Zaunpfahl, nein, Kackschrub­ber Richtung Integratio­nsminister­ium? Weil ein wenig infantile, nicht aus der Analphase hinausgeko­mmene Kindsköpfe, die nichts ernst nehmen, sind wir schon. ber, die Spieler haben es vor dem Türkei-Spiel transparen­t gemacht, wir stehen auch für Integratio­n. Das gilt vor allem für den Trainer, der uns humorlos und unösterrei­chisch zeigt, was wir auch sind: schlagfert­ig, kämpferisc­h, kreativ. Wir tragen zwar eine Klobürste auf der Brust sowie einen Punschkrap­fen unter dem Herzen, und unsere Leitkultur schreibt sich oft mit weichem d, doch vieles ist auch ziemlich großartig. Nur wie will man das definieren? Vielleicht sollte sich Frau Minister Raab ein Beispiel an Kolumbus nehmen, der hat seinen Auftraggeb­ern auch ein ziemliches Ei gelegt. Oder läuft sie eh gerade durch ihr Ministeriu­m und ruft zu den Identitäts­forschern: „April! April!“

AFranzobel, 1967 geboren, ist Schriftste­ller und Sportfan.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria