Erdoğans schlimmste Niederlage
Erstmals seit ihrer Machtübernahme vor über 20 Jahren hat Erdoğans Partei die Mehrheit in der Türkei verloren.
Von unserer Korrespondentin rence. Dieser Pragmatismus gehört zu İmamoğlus Strategie, die CHP von ihren ideologischen Scheuklappen als Partei der Säkularisten zu befreien und so ihre Wählerbasis zu verbreitern. Dagegen müsse sich die AKP ab sofort fragen, „ob sie ohne Erdoğans Starpower überleben kann“, sagte Eissenstat.
Im zentralanatolischen Yozgat und im südostanatolischen Sanliurfa verlor die AKP gegen die islamistische Neue Wohlfahrtspartei (YRP) – auch das war ein Novum: Nie zuvor seit ihrer Gründung im Jahr 2001 ist die AKP bisher von Konkurrenz
aus dem islamisch-konservativen Lager geschlagen worden. YRP-Chef Fatih Erbakan ist ein Sohn des früheren islamistischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan, des politischen Ziehvaters von Erdoğan. Der junge Erbakan empfiehlt sich nun erfolgreich als saubere islamistische Alternative zur Korruption der AKP-Regierung.
Erdoğan räumte seine Niederlage ein: „Wir haben die erhofften Ergebnisse nicht erreichen können“, sagte der Präsident in Ankara. Die Kommunalwahl sei aber kein Ende, sondern ein Wendepunkt, denn die Regierung werde aus ihren Fehlern lernen.
Politikexperte Özel sagte, ein Grund für die Schlappe der AKP sei gewesen, dass viele ihrer Wähler am Sonntag zu Hause blieben: „Wie fühlt man sich als Erdbebenopfer, dem ein neues Haus binnen eines Jahres versprochen wurde, oder als Pensionist, der mit einer kleinen Rente auskommen muss? Und die Regierung schwelgt im Luxus – so etwas regt die Leute auf“, erklärte Özel weiters.
„Das ist vielleicht der Anfang vom Ende der Ära Erdoğan“, sagte Murat Somer von der Özyeğin-Universität in Istanbul. Erdoğan habe sich in den vergangenen Jahren mit so vielen Bündnispartnern überworfen, dass er jetzt „in der Ecke“stehe. Wenn AKP-Abgeordnete nun erwarten müssten, bei der nächsten Wahl 2028 ihre Sitze zu verlieren, könne es schon vor diesem Wahldatum neue Bündnisse und Veränderungen geben. uch Politikdozent Özel sieht schwere Zeiten auf Erdoğan zukommen. Der Präsident habe den schwersten Rückschlag seit der Niederlage der AKP bei den Kommunalwahlen von 2009 erlebt. Außerdem müsse sich der Präsident nach den Wahlen um die Wirtschaft kümmern, was schmerzhafte Entscheidungen und Einschnitte für AKP-Wähler bedeuten werde. „Erdoğan ist ein Kämpfer – aber er ist ein müder Kämpfer“, analysiert Özel.
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Damoklesschwert