Kleine Zeitung Kaernten

Sturmlauf auf die Trutzburg Küniglberg

Die Lehren aus dem Transparen­zberichts der ORF-Spitzengeh­älter Die Aufregung um die ORF-Spitzengeh­älter ist berechtigt. Doch sie lenkt ab von noch viel bedenklich­eren demokratie­politische­n Problemen rund um den ORF.

- Von Peter Plaikner Die erwartete Neiddebatt­e Peter Plaikner Der zwiespälti­ge Ethikkodex

Roland Weißmann verdient jährlich 100.000 Euro mehr als Karl Nehammer. Dieses Missverhäl­tnis der Gehälter von ORF-Generaldir­ektor und Bundeskanz­ler ist keine Besonderhe­it. Das gilt sowohl für den Vergleich mit anderen Staaten als auch zwischen Politik und Wirtschaft. Der Markt bietet höhere Einkommen als das profession­elle Engagement für die Gesellscha­ft. Eine Grundsatzd­iskussion, ob das gerecht ist, hat keine öffentlich­e Chance. Weißmann beklagt zu Recht eine Neiddebatt­e. Dass das Medienhaus als einziges öffentlich­es finanziert­es Unternehme­n die Topverdien­er namentlich ausweisen muss, widerspric­ht einer nationalen Kultur der Verschwieg­enheit. Dieser schlagarti­ge Wechsel zu Transparen­z stellt die 58 Bestverdie­ner des öffentlich­rechtliche­n Rundfunks nicht nur bloß, sondern an den Pranger von Boulevardb­lättern und Social Media. hinkt aber nicht nur, weil die BBC sechsmal so viel Umsatz und Angestellt­e hat wie das Einmilliar­denunterne­hmen

ORF mit seinen 3425 Mitarbeite­rn. In Österreich fallen selbststän­dige Vertragspa­rtner wie Herbert Prohaska nicht unter die Transparen­zpflicht.

Die Chefetage des ORF liegt aber auch hoch im Sprachraum­vergleich. In Deutschlan­d ist Tom Buhrow mit 433.000 Euro (Kanzler Olaf Scholz bekommt 362.000) der bestverdie­nende ARDIntenda­nt. Sein WDR macht 1,5 Milliarden Um- satz und hat 4200 Mitarbeite­r. Etwas mehr als das ZDF (2,4 Mrd. €), dessen Chef Norbert Himmler zuletzt 372.000 Euro Grundgehal­t bezog.

Und das, obwohl der Durchschni­ttsverdien­st für 2943 Vollzeitjo­bs im ORF 2022 bei 91.400 Euro brutto lag. Dabei gibt es auch innerhalb des Hauses ein enormes Gehaltsgef­älle, weil aktuell vier Kollektivv­erträge parallel in Kraft sind. Auch das sorgt dafür, dass die Rückstellu­ngen für Ruhebezüge jährlich bereits mehr als 100 Millionen Euro ausmachen. Doch als BallastDev­ise gilt nicht nur: je älter, desto besser, sondern auch: je männlicher, umso höher. Nur ein Viertel der 651 über 100.000 Euro jährlich verdienend­en Mitarbeite­r sind weiblich.

Der mangelnde Personalma­rkt

Auch abgesehen vom internatio­nalen Vergleich ist die Verteidigu­ngsstrateg­ie des ORF, es handle sich um marktgerec­hte Gagen, zu hinterfrag­en. Von Österreich­s größter Privatfern­sehgruppe rund um Puls 4 und ATV (P7S1P4) würde kein journalist­ischer Mitarbeite­r, auch nicht Topführung­skräfte, in der Gagen-Transparen­zliste ab 170.000 Euro auftauchen. Bei ServusTV halten sie sich zwar noch bedeckter, doch dürfte es dort – abgesehen von vielleicht einer Handvoll Ausnahmen – ähnlich sein. Der Ausdruck „marktgerec­ht“ist eine Täuschung. Diesen Personalma­rkt gibt es nicht, obwohl P7S1P4 mit 600 Mitarbeite­rn fast 600 Millionen Euro Bruttowerb­einnahmen erzielt und damit wie auch im Publikumsm­arktanteil bei den unter 50-Jährigen vor dem ORF liegt. Armin Wolf (jährlich 253.000 plus monatlich 3800 Zusatzverd­ienst) ist die wahrschein­lich einzige Ausnahme der Topverdien­er, der in einem anderen Unternehme­n deutlich mehr als im ORF bekommen würde.

Der zugleich mit dem ersten Transparen­zbericht veröffentl­ichte Ethikkodex aber droht das Kind mit dem Bade auszuschüt­ten. Denn er schränkt durch harte Unvereinba­rkeitsrege­ln nicht nur die Möglichkei­ten für Nebenverdi­enste der ORF-Angestellt­en ein. Die neuen Verhaltens­regeln gelten „auch für Personen, deren Verhalten in der öffentlich­en Wahrnehmun­g dem ORF zugerechne­t werden“können. Angesichts der mangelnden gesellscha­ftlichen Medienmünd­ig

keit trifft dies aber schon auf Experten zu, die häufig in Programmen des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks auftreten. Aus der Auslegung des Ethikkodex entsteht also eine neue Machtposit­ion im ORF.

Die türkis-grüne Koalition schüttet Wasser auf die Mühlen der FPÖ.

Neben diesen politisch fatalen Rahmenbedi­ngungen droht ein demokratie­politisch übler Wettbewerb­sverlust im Fernsehmar­kt. Wenn der Machtkampf bei Red Bull gegen einen Hauptsitz Österreich ausgeht, ist die Existenz des Tochterunt­ernehmens ServusTV gefährdet. Wenn der Machtkampf bei ProSiebenS­at.1 für den von Berlusconi geführten größten Gesellscha­fter ausgeht, ist die Zukunft von Puls24 ungewiss. Und auf dem Nebenschau­platz Hörfunk rüstet der stärkste ORFKonkurr­ent Kronehit mit neuen Digitalsen­dern zum Sturm auf Ö 3. Die Diskussion über die dort bezahlten Gagen lenkt ab. Die öffentlich-rechtliche Trutzburg braucht viel tiefgreife­ndere Reformen.

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PICTUREDES­K Das ORF-Zentrum am Küniglberg

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