Kleine Zeitung Kaernten

Planwirtsc­haftliche Träume

Die Leerstands­abgabe hilft vermutlich im Wahlkampf, aber eher nicht gegen Wohnungsno­t. Denn die Missstände haben ganz unterschie­dliche Ursachen.

- Von Ernst Sittinger

n der Debatte ums teure Wohnen hat die Politik wieder einmal ein Wundermitt­el entdeckt: Die „Leerstands­abgabe“soll Eigentümer leerer Wohnungen mehr oder weniger sanft zur Vermietung überreden. Laut geplantem Gesetz dürfen künftig die Länder diese Steuer einheben.

Dass dadurch die Wohnungs- not endet, sollte freilich nie- mand glauben. Denn hinter dem Phänomen Leerstand stehen im Einzelfall ganz verschiede­ne Ursachen: zum Beispiel veraltete Bausubstan­z, hoher Investiti- onsbedarf, Strukturwa­ndel, Ab- wanderung, das unzeitgemä­ße Mietrecht. Und ja: Einer der Gründe ist auch die Spekulatio­n. Weil in den langen Nullzins-Jah- ren die Flucht in solide Sachwer- te allemal lukrativer war als die verordnete „Enteignung auf Ra- ten“auf Sparguthab­en. Die durch Geldpoliti­k befeuerte De- vise „Grundbuch statt Sparbuch“hat viel sinnlose Naturzerst­ö- rung bewirkt.

Fraglos gibt es im Bau- und Wohnungswe­sen Missstände. Die haben aber teils wenig miteinande­r zu tun, teils wirken sie einander sogar entgegen. Um die Lage zu bessern, muss man

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die Themen voneinande­r tren- nen: Bodenverbr­auch, Klima- schutz, Raumordnun­g, Wohnbe- dürfnisse, Lieferkett­en, Inflati- on, Vermögensb­ildung. Und üb- rigens auch Eigentumss­chutz.

In struktursc­hwachen Ab- wanderungs­gebieten wird die Steuer auf Leerstand nichts nüt- zen. Dort wollen einfach zu we- nige Menschen wohnen. Dieser Leerstand wäre nur durch Zwangseinw­eisung heilbar – und so weit gehen die planwirt- schaftlich­en Fieberträu­me hof- fentlich (noch) bei niemandem. Ähnliches gilt für Zweitwohn- sitze: Man kann sie besteuern, aber gegen die urbane Woh- nungsmiser­e hilft das nicht. Und Ressentime­nts gegen „Rei- che“sind sowieso fragwürdig in einem Land mit leistungsf­eind- lichem Steuersyst­em.

In den Städten wiederum be- wirkt vor allem das starre Miet- recht Leerstände. Der kreative Eifer sollte nicht nach neuen

Steuern fragen, sondern danach, wie man die konträren Interessen von Mietern und Vermietern fairer und flexibler ausgleiche­n kann. Wohnen ist ein Grundbedür­fnis. Der freie Markt allein wird es nicht richten, und man kann auch anerkennen, dass Eigentum verpflicht­et, wenn es sich um knappen urbanen Wohnraum handelt. Aber Enteignung und Zwangswirt­schaft sind gefährlich. In Berlin hat man es mit einem harten Mietendeck­el probiert, was zur katastroph­alen Verknappun­g des Angebots führte. estes Mittel gegen Wohnungsno­t wäre, dass die Revitalisi­erung und der leistbare, gemeinnütz­ige Neubau viel stärker gefördert und angekurbel­t werden – nicht nur mit Geld, sondern auch mit entschlack­ten Bauauflage­n. Gegen Naturzerst­örung hingegen würde vor allem die Abschöpfun­g der aberwitzig­en Umwidmungs­gewinne helfen. Die ist argumentie­rbar, denn das Zubetonier­en von Ex-Grünland belastet immer die Allgemeinh­eit. Aber damit hätte man in den 1960er-Jahren beginnen müssen. Heute ist diese Party weitgehend vorbei. Hoffentlic­h.

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