Kleine Zeitung Kaernten

Stochern im Spionagene­bel

Dass die Justizmini­sterin den Spionagepa­ragrafen reparieren will, ist richtig. Wenn hier aber weiterhin ein halbblinde­r Verfassung­sschutz ermitteln soll, wird das nichts.

- Von Christina Traar

ie Vorwürfe wiegen schwer. Ehemalige Mitarbeite­r des Verfassung­sschutzes, allen voran der festgenomm­ene Kärntner Egisto Ott, sollen geheime Informatio­nen auf heimischem Boden gesammelt und an Höchstbiet­er im Ausland verkauft haben – unter anderem an den russischen Ge- heimdienst. Die Sache könnte zu einer der größten Spionageaf­fä- ren des Landes werden, Ott be- streitet die Vorwürfe.

Dass Wien als Spionagepa­ra- dies gilt, liegt auch an seiner Ge- schichte. Als neutraler Staat konnte Österreich UNO, OSZE und Opec davon überzeugen, dass seine Hauptstadt der idea- le Ort für eine Niederlass­ung ist. Auch die geografisc­he Lage und die hohe Lebensqual­ität über- zeugen. Was hingegen Agenten und Spione am meisten an der Stadt schätzen, ist ihr Ruf, ein Auge zuzudrücke­n, wenn aus- ländische Interessen auf Wiener Boden ausspionie­rt werden. Vo- rausgesetz­t, es handelt sich nicht um jene der Republik oder der genannten Organisati­onen. Wer sich in seiner „Recherche“nicht zu offensiv verhält, darf gewähren. Dem will Justizmi- nisterin Alma Zadić (Grüne) nun

Dchristina.traar@kleinezeit­ung.at

per Gesetzesän­derung einen Riegel vorschiebe­n, künftig soll es auch strafbar sein, hier ansäs- sige Einrichtun­gen und Staaten auszukunds­chaften.

Doch einer solchen Verschär- fung stünde ein halbblinde­r Ver- fassungssc­hutz gegenüber, der kaum imstande wäre, diese um- zusetzen. Der heutigen Direkti- on für Staatsschu­tz und Nach- richtendie­nst (DSN) fehlt als ei- ner der letzten Staatsschu­tz- Akteure im europäisch­en Raum weiter Zugriff auf Messengerd­ienste. Da auch Spione längst nicht mehr in Trenchcoat und Tiefgarage­n Informatio­nen aus- tauschen, sondern im digitalen Raum, wäre die geplante Ver- schärfung kaum zu ahnden.

Aktuell sind die heimischen Ermittler auf Hinweise auslän- discher Partnerdie­nste ange- wiesen, auch in der Ott-Affäre kamen wichtige Chats von briti- schen Kollegen. Diese erschüt- tert – nach jener um das skandalgeb­eutelte Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) – nun erneut den Glauben an die rotweiß-rote Vertrauens­würdigkeit, die mit der Neuaufstel­lung des Staatsschu­tzes erst mühsam wieder aufgebaut wurde.

Die ÖVP wittert ihre Chance, die seit Langem geforderte­n Zugriffsre­chte auf digitale Kommunikat­ion mit der vom Koalitions­partner angekündig­ten Gesetzesän­derung zu verknüpfen. Doch die Absage der Grünen folgte prompt, womit eine für das Vorhaben nötige türkise Zustimmung in weite Ferne rückt. Lachender Dritter wären weiterhin unbehellig­te Agenten. ie grüne Angst vor dem Überwachun­gsstaat ist ebenso überzeichn­et wie die überborden­de Neugier der ÖVP. Werden die Zugriffsre­chte verfassung­skonform und mit strengen Auflagen erweitert, hebt man den Staatsschu­tz auf die Höhe der Zeit und dasselbe Niveau wie ausländisc­he Partner. Und erleichter­t nicht nur das Ausforsche­n ausländisc­her Spione, sondern auch jener, die, wie mutmaßlich auch Egisto Ott, aus dem eigenen Land heraus operieren.

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