Kleine Zeitung Kaernten

Verletzter Stolz und drohender Machtverlu­st

Alle sind für eine neue Sicherheit­sstrategie. Doch zwischen ÖVP und Grünen gibt es Streit. Es geht um frühere Fehlentsch­eidungen und drohenden Machtverlu­st.

- „Eine Sicherheit­sstrategie

zuweisunge­n für aktuelle Probleme, beim anderen um Verpflicht­ung kommender Regierunge­n.

taugt nicht zur Vergangenh­eitsbewält­igung“, sagt eine mit den Verhandlun­gen betraute Person zur Kleinen Zeitung, „sondern sollte in die Zukunft gerichtet sein“. Es ist also der Ehrgeiz, eine strategisc­he Umfeldanal­yse zum Teil der Sicherheit­sstrategie, die auch die Verantwort­lichen für aktuelle Missstände benennt, der nun für festgefahr­ene Fronten in der Koalition sorgt.

Ein Beispiel: Wenn es etwa heißt, dass schon der russische Kaukasuskr­ieg von 2008 und die Unterbrech­ungen der russischen Gaslieferu­ngen 2009 die neuen aggressive­n Absichten

Moskaus hätten erkennen lassen, erscheint der Abschluss langfristi­ger Liefervert­räge, wie sie 2018 mit einer Laufdauer bis 2040 unter Federführu­ng der ÖVP in Moskau unterzeich­net wurden, als fataler Fehler und Generalabr­echnung mit der jüngeren ÖVP-Regierungs­bilanz in der Außen- und Sicherheit­spolitik. Dass die SPÖ damit auch keine Freude hätte, steht auf einem anderen Blatt.

Obwohl rechtlich unverbindl­ich, hat die Sicherheit­sstrategie doch, sofern ernst genommen, politische­s Gewicht. In einem solchen, auch internatio­nal beachteten Grundsatzd­okument will niemand eigene Fehler offiziell festhalten. Das wäre so, als wenn man die liberale Aufnahmepo­litik in der Flüchtling­skrise 2015/16 offiziell für die Integratio­ns

und Gewaltprob­leme der Gegenwart direkt verantwort­lich macht. Kann man machen, wäre auch nicht ganz falsch, aber jede Partei, die sich damals für die Willkommen­skultur eingesetzt hat, würde sich wohl dagegen verwehren.

Die Geister scheiden sich auch an den Zielvorgab­en. Wer künftig regiert, ist völlig offen. Wenn nun – laut Entwurf der neuen Sicherheit­sstrategie – der netzbezoge­ne Einsatz von Gas so rasch wie möglich reduziert werden soll, entspricht das der Überzeugun­g der Grünen, aber nicht zwingend jener der nächsten Koalition. Gleiches gilt etwa für Formulieru­ngen, die etwa der Beschleuni­gung der Energiewen­de eine zentrale sicherheit­spolitisch­e Bedeutung zumessen. Beschleuni­gung heißt: immer noch schneller, egal wie schnell man schon unterwegs ist.

„Wenn es um die Zukunft geht, wird es zu detaillier­t, fast schon wie bei einem Gesetz, und bei der Vergangenh­eit wird die Verantwort­ung für die aktuellen Probleme zu konkret“, beschreibt einer, der mit der Materie befasst ist, recht nüchtern den Konflikt.

Sollte die Sicherheit­sstrategie am Ringen um die Lufthoheit über Vergangenh­eit und Zukunft scheitern, wäre das nicht nur peinlich, sondern auch eine verpasste Chance. Denn abseits der Differenze­n wollen ÖVP und Grüne Werte wie Demokratie, Rechtsstaa­tlichkeit, Freiheit, Respekt, ein selbstbest­immtes Leben sowie die Stärkung des sozialen Zusammenha­lts als Voraussetz­ungen wie Grundlagen für die Sicherheit und Verteidigu­ng der Republik verankern. „Diese Grundwerte bilden die Basis für das politische Handeln und auch die Grundlage der österreich­ischen Sicherheit­spolitik“, heißt es in einem Textauszug. Ein solcher Zugang, der wiederholt die Bedeutung von Integratio­n und Inklusion hervorhebt und die „demokratis­che Wehrhaftig­keit“der Republik zum Ziel hat, ist neu und ungewohnt in einer Sicherheit­sstrategie wie auch die Betonung präventive­r Maßnahmen.

Für eine neue Sicherheit­sstrategie genügt, wenn sich zunächst die Regierung und dann die Regierungs­fraktionen einigen. Für die politische Relevanz gilt: je größer die Mehrheit, desto größer die Akzeptanz.

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Die türkisgrün­e Bundesregi­erung ringt um die neue Sicherheit­strategie

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