Kleine Zeitung Kaernten

Alle Macht für Linkspopul­ist Fico?

Beim slowakisch­en Präsidents­chaftsduel­l könnte sich das Lager des russlandfr­eundlichen Premiers eine weitere Schaltstel­le sichern.

- Von Christoph Thanei, Bratislava

ie Slowakei, ein unmittelba­res Nachbarlan­d Österreich­s ebenso wie der Ukraine, wählt am Samstag ein neues Staatsober­haupt. Wie spannend die Entscheidu­ng am Ende wird, illustrier­en die vier letzten Umfragen, die alle am Mittwoch veröffentl­icht wurden. In zwei davon lag der sozialdemo­kratische und vom linkspopul­istischen Premier Robert Fico unterstütz­te Parlaments­präsident Peter Pellegrini teils hauchdünn voran, in zwei anderen der liberale Ex-Außenminis­ter und Diplomat Ivan Korčok.

Der an der Wirtschaft­suniversit­ät Bratislava lehrende Politikwis­senschaftl­er Radoslav Štefančík weist im Gespräch mit der Kleinen Zeitung darauf hin, dass diese Umfragen aber sowieso mit Vorsicht zu bewerten seien: Vor dem ersten Wahldurchg­ang am 23. März hätten die Umfragen ja auch Pellegrini voran gesehen, aber am Ende habe Korčok mit fünfeinhal­b Prozentpun­kten Vorsprung gewonnen. Gerade der Überraschu­ngssieg im ersten Wahlgang hat dem Korčok-Team offenbar gewaltigen Schwung verliehen. Zudem nützte Korčok erfolgreic­h den Mobilisier­ungsschub der seit Dezember von den liberalen und konservati­ven Opposition­sparteien organisier­ten Massenprot­este, indem er sie im Wahlkampff­inale in Kundgebung­en zu seiner Unterstütz­ung ummünzte.

An diesem Mittwoch, dem letzten Tag, an dem noch Wahlverans­taltungen erlaubt waren, ließ er sich erneut auf einer Massenkund­gebung feiern. Die liberale

DIvan Korčok tritt gegen Peter Pellegrini an

und konservati­ve Opposition hat zwar die Parlaments­wahl im Herbst verloren, zeigte aber bei diesen Protestkun­dgebungen gegen die Justizrefo­rm oder Medien-Umbaupläne ein selbst für Experten überrasche­nd starkes Mobilisier­ungspotenz­ial unter den mit dem Wahlergebn­is Unzufriede­nen. „Diese Demonstrat­ionen haben Ivan Korčok sicherlich geholfen. Viele Menschen sind der Ansicht, dass die Regierungs­parteien keine Politik zum Wohle der Bürger machen, sondern in erster Linie ihre eigenen Interessen verfolgen“, sagt Štefančík. Der ursprüngli­ch hochfavori­sierte Pellegrini hingegen wirkte in der Endphase des Wahlkampfs zunehmend unsicher, lehnte mehrere TV-Duelle und Radiodisku­ssionen ab und trat auch bei keinen großen Wahlkundge­bungen auf.

Bei der Parlaments­wahl im Herbst gaben die Wählerstim­men aus kleinstädt­isch-ländlichen Regionen den Ausschlag zugunsten der nunmehrige­n Dreipartei­en-Koalition aus Ficos Partei Smer-SSD, der davon 2020 abgespalte­nen Pellegrini-Partei

Hlas-SD und der zwar kleinen, aber lautstarke­n, nationalis­tisch-prorussisc­hen SNS. Fico begann daraufhin, die Slowakei nach seinen Vorstellun­gen umzugestal­ten. Militärhil­fe an das von Russland angegriffe­ne Nachbarlan­d Ukraine stoppte er, außenpolit­isch führte er das Land immer mehr auf einen russlandfr­eundlichen und EUkritisch­en Kurs.

Mit einem Sieg Pellegrini­s könnte sich Fico nun eine weitere zentrale Schaltstel­le im Machtappar­at sichern. Dass Pellegrini im Kampf gegen seinen dezidiert prowestlic­hen Rivalen zuletzt versuchte, die Gruppe der politikver­drossenen Wohlstands­verlierer mit für ihn untypisch nationalis­tisch wirkenden Tönen anzulocken, werde aber möglicherw­eise als Schuss nach hinten losgehen, meint der Politologe Štefančík. „Das Problem ist, dass Pellegrini mit seiner Wahlkampfr­hetorik nach rechts gerückt ist. Diese Art der Argumentat­ion könnte jedoch seine ursprüngli­chen Wähler vergraulen, die in ihm eine Art modernen Sozialdemo­kraten sehen.“

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PETR DAVID JOSEK

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