Die Folgen der Verweigerung
Österreichs Gletscher schmelzen rasant, der April kratzt bereits an der 30-Grad-Marke. Zur Erinnerung: Die schlimmsten Folgen des Klimawandels wären noch vermeidbar.
s ist nicht so, dass der Reflex nicht verständlich wäre, der sich inzwischen bei vielen einstellt, wenn die Rede auf den Klimawandel kommt: Ja, wir wissen schon, dass es wärmer wird. Wir wissen, dass wir trotzdem nicht aufhören, Öl, Gas und Kohle zu verheizen und dass das alles un- erfreulich ist. Geschenkt. Aber man möchte irgendwann halt doch einmal in Ruhe gelassen werden mit den ständigen Hiobsbotschaften von der Kli- mafront. Der Neuigkeitswert der drohenden Katastrophe hat sich zuletzt stark abgenützt.
Und doch ist es nicht so, dass uns das Thema loslassen würde. Eher trifft das Gegenteil zu. Denn je heißer es insgesamt auf dem Planeten wird, desto sicht- und spürbarer werden die Kon- sequenzen. Das gilt auch für das eher begünstigte Österreich, dessen geliebte Berggletscher die nächsten Jahrzehnte nicht überleben werden. Gab es auf den Alpengipfeln bis Mitte der 1980er-Jahre vereinzelt noch kühlere Phasen, in denen sich die Eisflächen erholen konnten, ist es damit inzwischen völlig vorbei. Auch in den Tälern greift der Sommer immer weiter ins
Eguenter.pilch@kleinezeitung.at
Frühjahr hinein, bereits dieses Wochenende könnte die 30- Grad-Marke fallen – eine Premiere so früh im Jahr.
Diese Entwicklung hat auch dort Folgen, wo man als Laie nicht zuerst danach suchen würde. Dem Ausseer Narzissen- fest droht aufgrund der verfrüh- ten Blüte der Blumen heuer erst- mals ein narzissenloser Korso, die Bauern zittern vor Frostein- brüchen, die klimawandelbe- dingt immer öfter auf bereits entwickelte Knospen treffen. Auf die zum Sommer geworde- nen Frühlingsmonate folgten zuletzt meist Hochsommer, in denen die Hitze in den Städten nur noch schwer erträglich war. Gesundheits- und Infrastruk- turkosten gehen in die Höhe.
All das muss noch keinen Weltuntergang bedeuten. Das wirklich Bedrohliche ist aller- dings der dahinterliegende glo- bale Mechanismus, der den Hit- zeregler noch weiter nach oben drehen wird. Die vergangenen zwölf Monate haben im Schnitt erstmals den Wert von 1,6 Grad globaler Erwärmung durchbrochen, die Temperatur der Ozeane ist seit mehr als einem Jahr ohne Unterbrechung mit Riesenabstand auf Rekordniveau. Die Welt segelt klimatisch in unkartierten Gewässern.
All das kommt nicht überraschend. Allen eigenbrötlerischen Einwürfen über angebliche Zweifel an der menschenverursachten Klimamisere zum Trotz haben Forscher diese Entwicklung mit verblüffender Genauigkeit vorhergesagt. Simples Faktum ist: Es wird noch heißer und schuld daran sind wir selbst. Weil wir empfänglicher sind für politische Appelle an den Haus- statt an den Sachverstand; weil es bequemer ist, gegen Katastrophenwarnungen zu Felde zu ziehen als gegen die Katastrophen selbst; und weil wir das Thema halt dermaßen satthaben. s mag stimmen: Das Herumreiten auf diesen Umständen nervt und ändert doch nichts an der sich weiter aufbauenden Krise. Das kollektive Augenrollen allerdings ebenso wenig.
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