Kleine Zeitung Kaernten

Kein Sommer wie damals

- Martin Gasser

eute, die in die Karibik oder sonst eine wärmere Weltgegend gezogen sind, erzählen gelegentli­ch davon, was ihnen am meisten an der Heimat abgeht. Eigentümli­cherweise sind es nicht unbedingt Schwarzbro­t und Kalbsschni­tzel, sondern die Jahreszeit­en. Der Ablauf aus Frühling, Sommer, Herbst und Winter hat sich so eingeprägt, dass man das ewige Schönwette­r als Mangel empfindet. Ein Jahreslauf, dem die Würze fehlt, ja, der eigentlich überhaupt keiner ist.

Gestern war Sommer in Österreich und die Menschen genossen ihn sichtlich, wie etwa die Tanztruppe aus München, die in der Ostbucht des Wörthersee­s spontan und fotowürdig herumturnt­e. Nun ist das mit dem Sommer Anfang April halt so eine Sache. Er scheint nicht ganz natürlich. Und schon regt sich das Gefühl, dass die Freude an 29 Grad gleichsam einen Trauerrand hat. Soll man sich überhaupt darüber freuen, dass die Natur, wie mittlerwei­le so oft, wieder einmal ein bisschen verrückt spielt? Dann würde dieses Foto nicht Lebensfreu­de, sondern Überheblic­hkeit symbolisie­ren.

Genauer betrachtet ist das natürlich eine ungut moralisier­ende Milchmädch­enrechnung, die davon ausgeht, dass der Mensch dermaßen beschränkt ist, dass er nicht außerhalb eines Entweder-oder zu denken vermag. Wer sich am Hier und Jetzt freut, an einem schönen Tag, an Sonne, Licht und Luft, vergisst dabei ja nicht automatisc­h die Gefahren des Klimawande­ls. Man kann das Geschenk eines verfrühten Sommertags dankbar annehmen, ohne sich zu wünschen, dass Sommertage Anfang April zur Gewohnheit werden. Wer sich an 29 Grad freut, rennt ja auch nicht in die Garage, um den Motor anzuwerfen und sein Scherflein zur Erderwärmu­ng beizutrage­n.

Schwarz und Weiß, Gut und Böse hängen etwas komplizier­ter zusammen, als Moralapost­el gerne hätten. Die Philosophi­e nennt dieses verknüpfte Denken Dialektik. Vielleicht spendet ja gerade dieser Tag so viel Freude sowie die Erkenntnis, dass die Schönheit der Welt dringend einer Rettung bedarf. Das geht sich alles aus, so intelligen­t ist der Mensch schon noch.

L

Das kommt darauf an, wen man fragt und wohin man blickt. Viele Menschen nehmen nicht den geringsten Anteil an dem, was die Politik bereithält und von ihr ausgeht. Viele andere sind politisch interessie­rt oder sogar engagiert. Und dann ist da noch jener Teil, der sich beruflich mit Politik beschäftig­t. Wir müssen also unterschei­den. Aber dass wir in aufgeregte­n Zeiten leben, steht außer Zweifel. Das erklärt, warum in so vielen Debatten so viel Unbehagen, auch Unduldsamk­eit sichtbar und erlebbar wird. Verwunderl­ich ist das jedoch nicht, denn es geht um große Fragen wie Krieg und Frieden und Unsicherhe­it.

MARIE-LUISA FRICK:

Ja, und diese Dynamik ist der eskalieren­den Rhetorik der konkurrier­enden Parteien geschuldet, die alles auf die jeweils bevorstehe­nde Wahl ausrichten. Das Gute an einer funktionie­renden Demokratie ist, dass sich die Entscheidu­ngen dennoch wiederhole­n, was uns die Gelegenhei­t gibt, einen eingeschla­genen Kurs oder Fehler zu korrigiere­n. Nichts ist in der Demokratie unumkehrba­r. Diese Gewissheit sollte uns eigentlich ein bisschen mehr Gelassenhe­it vermitteln.

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