Kleine Zeitung Kaernten

Zu Gast in den Armenviert­eln der EU

Die Lebensumst­ände in den Roma-Vierteln Bulgariens sind erschrecke­nd. Über Rückschläg­e und Hoffnungss­chimmer.

- Von Albert Georg Lesjak

s regnet intensiv in der bulgarisch­en Hauptstadt Sofia. In einem Mahala – der Begriff steht vor allem in islamische­n Ländern für Stadtviert­el und zeugt in Bulgarien vom Einfluss des Osmanische­n Reiches in der Vergangenh­eit – wartet Ilana (Name von der Redaktion geändert) auf ihre „Gäste“. Der Begriff Stadtviert­el ist in diesem Fall aber nicht zulässig, als Mahalas werden in dem EUMitglied­sstaat die Armenviert­el bezeichnet. Wie viele es davon gibt, kann nicht genau gesagt werden, jedenfalls sind 25 Prozent davon illegal errichtet beziehungs­weise gewachsen und die Mehrheit ihrer insgesamt Tausenden Bewohner gehört der Volksgrupp­e der Roma an. Es gibt weder Fließwasse­r noch Kanalisati­on und Straßen.

„Kommen Sie nur herein. Hier wohne ich und gleich in der Nähe auch einer meiner Söhne und meine Tochter“, erzählt Ilana. In der Baracke aus Holzplatte­n stehen zwei Betten, der Boden ist mit Teppichen ausgelegt. Dort, wo sie den Boden nicht abdecken können, steht Wasser. Obgleich der widrigen Wohnverhäl­tnisse versucht Ilanas Enkel Hristo (drei Jahre alt) die Aufmerksam­keit auf sich zu ziehen. Er verrenkt sich im Bett, während er immer wieder unter der Decke verschwind­et und dann lachend wieder auftaucht – eine zweifelhaf­te Idylle.

„Vor allem Roma sind von Ausgrenzun­g und Armut massiv betroffen“, sagt Ognjan Isaew,

EDirektor der Stiftung für soziale Errungensc­haften. Auch deshalb wird am 8. April jährlich der Internatio­nale Tag der Roma begangen. Isaew verweist, wie viele andere NGOs auch, auf die sogenannte­n „Romaschule­n“, wo offensicht­lich bewusst nur Kinder der Minderheit eingeschul­t werden und das Niveau unter dem gängigen Standard liegt. Ein Bewusstsei­n dafür besteht auch seitens der Politik nicht. In einem Gespräch mit der bulgarisch­en Sozial- und Arbeitsmin­isterin Ivanka Shalapatov­a übernimmt bei der Frage nach den „Romaschule­n“ihre Kabinettsc­hefin Elitsa Videnova: „Derartige Zustände sind uns nicht bekannt.“ie Ministerin­nen und Minister der Regierung sind aber ebenfalls keineswegs

Dzu beneiden, ist die gewählte Regierung doch die fünfte innerhalb von zwei Jahren, hat mittlerwei­le das zweite Misstrauen­svotum im Parlament überstande­n und steht vor enormen Herausford­erungen: Kinderarmu­t, häusliche Gewalt, eine drastisch schrumpfen­de Bevölkerun­gszahl, ungleiche Bildungsch­ancen und ein marodes Gesundheit­ssystem sind nur einige der Problemfel­der. „In Bulgarien gibt es kein Kinderkran­kenhaus, die Säuglingss­terblichke­it bei Angehörige­n der Volksgrupp­e der Roma liegt bei fast 40 Prozent“, berichtet der Direktor des Nationalen Kindernetz­werks, Georgi Bogdanov. Ministerin Shalapatov­a ist sich all der Aufgaben durchaus bewusst und betont, sich „vor allem der Kinderarmu­t“annehmen zu wollen. Ob sie dazu kommen wird, ist fraglich, steht laut Regierungs­abkommen in ein paar Monaten eine Umbildung der Regierung an. Eine Organisati­on, die sich der Problemati­ken der Menschen vor Ort annimmt, ist die ge

meinnützig­e österreich­ische Privatstif­tung Concordia. Sie setzt in ihren Tages- und Krisenzent­ren auf eine ganzheitli­che Betreuung von Kindern, Jugendlich­en und Familien in Not. So stehen Pädagogen, Psychologe­n, aber auch Streetwork­er zur Verfügung. Das Ziel ist die Einglieder­ung der Menschen in die Gesellscha­ft und Erweiterun­g der Chancen durch Bildung und Ausbildung. hne die Arbeit von Concordia wäre niemand auf Ilana und ihre Situation aufmerksam geworden. Sie und unzählige andere Fälle zeigen, wie wichtig die Arbeit dieser Organisati­on in Bulgarien ist. Die

O„delikt“-Folge

Chancen für Ilana, den kleinen Hristo und die restliche Familie haben sich durch den Kontakt zu Concordia schon stark erhöht. Die Privatstif­tung unterhält nicht nur in Bulgarien, sondern auch in Rumänien, der Republik Moldau und dem Kosovo ihre Einrichtun­gen.

Ilana erzählt noch lange von

über RomaMorde von Franz Fuchs.

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den Widrigkeit­en ihres Lebens, von den zehn Kindern, die sie zur Welt brachte, von denen nur fünf überlebten, von der Arbeit, die ihr ein würdevolle­s Leben nicht möglich macht und von mangelnden Chancen und Ausgrenzun­g. Doch dann sagt sie: „Hristo wird eine bessere Zukunft haben, er wird einmal die Schule abschließe­n und es wird ihm gut gehen.“Dieser Blick in die Zukunft ist der unermüdlic­hen Arbeit der Concordia Sozialproj­ekte geschuldet und gibt tatsächlic­h Hoffnung, dass solche Umstände in keinem EUMitglied­sstaat mehr zur Normalität zählen.

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THOMAS SEIFERT Häuser wie jenes von Ilana gibt es in Bulgarien zuhauf
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THOMAS SEIFERT/CONCORDIA SOZIALPROJ­EKTE Ilana* zeigt ihren „Gästen“ihr Zuhause
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