Ist die FPÖ mittlerweile immun gegen sämtliche Vorwürfe?
Immun nicht, doch die jetzigen Vorwürfe sind zu unkonkret und bei vielen Wählern schlägt der Eindruck durch: Die anderen Parteien sind auch nicht anders. Dabei war es ja die FPÖ, die von sich behauptet hat, sie sei anders als die anderen. Ob die jetzigen Themen Folgen haben, wird sich frühstens bei der EU-Wahl im Juni zeigen.
Warum prallt die Kritik ab?
Die FPÖ profitiert von ihrer Positionierung als AntiEstablishment-Partei. Die Kritik der Konkurrenz und angeblichen MainstreamMedien prallt deswegen weitgehend ab. Etwas anderes ist es, wenn das von der Justiz kommt, doch ausgerechnet die ÖVP hat hier mit ihrer Kampagne gegen die Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Ära von Sebastian Kurz deren überparteiliches Ansehen beschädigt.
Was müsste die FPÖ wirklich fürchten?
PETER HAJEK:
Sieben repräsentative Umfragen mit der Sonntagsfrage für die Nationalratswahl wurden seit März veröffentlicht, und siebenmal stand die FPÖ auf Platz eins. Dabei ist für die Partei von Herbert Kickl durchaus nicht alles eitel Wonne, zumindest, wenn man die klassischen Medien verfolgt. Es ist vor allem die Kreml-freundliche Russlandpolitik der FPÖ, die auf massive Kritik stößt. Dann ist da die Finanzaffäre im Grazer FPÖ-Klub. Und mit Hans-Jörg Jenewein pflegte sogar der ehemalige blaue Sicherheitssprecher wiederholt Kontakte zum in U-Haft sitzenden Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott.
Dann sind da die Vorwürfe, die rund um Kickl und dessen Rolle als Innenminister bei der Razzia 2018 im später aufgelösten Verfassungsschutz kreisen. Weiters Verdachtsmomente, die auf Pläne hinweisen, im damals ebenfalls FPÖ-geführten Außenministerium einen eigenen Geheimdienst aufzubauen. Schließlich soll mit dem flüchtigen Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek sogar der Kopf eines russischen Spionagenetzwerks in dieser Zeit im Innenministerium auf Besuch gewesen sein.
Es ist insbesondere die ÖVP, die aus vollen Rohren gegen ihren ehemaligen Koalitionspartner schießt. Erst am
Montag bezeichnete die Kanzlerpartei
Kickl erneut als
„Sicherheitsrisiko für Österreich“. Auf diese Weise versucht die ÖVP im Superwahljahr einen fast unmöglichen Spagat: Ganz sicher keine Koalition mit Kickl persönlich, aber mit der FPÖ unter Umständen vielleicht doch. Das türkise Ziel dahinter ist verständlich: Man will zumindest einen Teil der Hunderttausenden Stimmen, die in der Ära von Sebastian Kurz von der FPÖ zur ÖVP gewandert und nun wieder in den blauen Hafen heimgekehrt sind, erneut zur Rückkehr bewegen. Allein: Diese Strategie zeigt bisher nicht den geringsten Erfolg. Die Zwei-FirmenTheorie der ÖVP in Sachen FPÖ – hier der böse Kickl, da die koalitionsfähige Rest-FPÖ – scheint zu scheitern.
Die FPÖ ist anders als die anderen Parteien. Auch was die Folgen öffentlicher Kritik angeht. Derzeit hat es den Anschein, als könnte kaum etwas den Lauf der FPÖ bremsen.