Kleine Zeitung Kaernten

Das blaue Teflon

Die FPÖ ist mittendrin bei wechselsei­tigen Vorwürfen zur Parteibuch­wirtschaft, hat in Graz einen Finanzskan­dal – und nimmt trotzdem keinen Schaden. Warum?

- Von Simon Rosner

ie Wahl wie die NichtWahl einer Partei ist oftmals eine Melange mehrerer Überlegung­en und Emotionen, die auch gegensätzl­ich sein können. Einerseits der Kopf, anderersei­ts der Bauch. Legte man die Motive der Nicht-Wahl der Freiheitli­chen im Jahr 2019, als die Blauen zehn Prozentpun­kte verloren, auf eine Waage, fiele Ibiza, das der Grund für die Neu- wahl war, kaum ins Gewicht. So- gar unmittelba­r nach Auftau- chen des Videos, wenige Tage später, hatte die FPÖ bei der EU- Wahl nicht viel verloren.

Was die Blauen im Herbst 2019 abstürzen ließ, war nicht das auf Film gebannte korrupti- ve Verhalten, sondern waren üp- pige Spesenabre­chnungen, die den leutselige­n Heinz-Christian Strache als Nehmer mit Hang zum Luxus outeten, zwar nur zulasten seiner Partei, dennoch hatten diese Aufdeckung­en De- mobilisier­ungskraft und führ- ten, nach der Wahl, sogar zu des- sen Suspendier­ung.

Der altbekannt­e blaue Wahl- spruch „Unser Geld für unsere Leut’“dürfte auch in der Steier- mark wörtlich genommen wor- den sein, bewegt hier aber die Balken in den Umfragen kaum.

Dsimon.rosner@kleinezeit­ung.at

Die FPÖ ist in der Steiermark obenauf, genauso wie im Bund, wo die Ermittlung­en aus Graz schlicht gar keine Rolle spielen. Gewiss, die Sachlage ist anders als bei Strache, trotzdem ist es bemerkensw­ert, wie immun die Freiheitli­chen geworden sind.

Dass die FPÖ beim Geschiebe und Geschacher­e der jüngeren Vergangenh­eit mittendrin war, ist in vielen Chats gut dokumen- tiert. Gerade eben wieder, vom ORF bis zur Polizei. Aber andere auch. Dass die FPÖ eine starke Neigung (im Fall der ehemali- gen Außenminis­terin Karin Kneissl war es sogar ein Hof- knicks) in Richtung Russland offenbart, ist ebenso belegt. Aber eben andere auch, die mit Putin vor gar nicht so langer Zeit schäkerten. In einer solchen Gemengelag­e ist es nicht so leicht, den Durchblick zu wah- ren.

Ein weiterer Grund für den Hö- henflug der FPÖ ist, dass es der

Partei gelungen ist, sich eine ganz eigene Kommunikat­ionswelt – von Social Media über Magazine bis zu nahestehen­den TV-Sendern mitsamt den dazugehöri­gen einschlägi­gen Expertinne­n und Experten – aufzubauen, in der die geballte Kritik der Konkurrenz oder von etablierte­n Medien kaum, und wenn doch, dann gebrochen, vorkommt. Über ein vergleichb­ares mediales Parallelun­iversum verfügt in Österreich keine andere Partei oder Bewegung. och schon 2016 hatte die FPÖ in Umfragen den Dreier vorne stehen, lag auf Platz eins und Norbert Hofer wurde beinahe Bundespräs­ident. Bei der Nationalra­tswahl 2017 drehte Sebastian Kurz das Ergebnis um. Er hatte die FPÖ mit ihren Themen und ihren Vorhaben nicht kopiert, aber neu interpreti­ert. Mit Erfolg. Damals gewann bei Hunderttau­senden FPÖ-Wählern der Kopf das Match mit dem Bauch in dem Sinn, dass Kurz und seiner neuen Volksparte­i es eher zugetraut wurde, eine scharfe Migrations­politik und einen neuen Politiksti­l umzusetzen. Darauf setzt die ÖVP auch diesmal. Oder besser: Sie hofft es.

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