Abrechnung in Jadegrün
Anja Salomonowitz sprengt mit ihrem widerborstigen Biopic über Maria Lassnig das Genre. Eine Künstlerin blickt auf die andere.
ew York, irgendwann in den 1970ern: Das Festnetztelefon klingelt, Maria Lassnig hebt ab. „They want me to be a Professor“, sagt sie nach dem Auflegen in hinreißendem Mix aus Kärntnerisch und Englisch lakonisch zu ihrer Nachbarin. Sie werde, grantelt sie weiter, die Professur an der Angewandten nur annehmen, wenn man ihr gleich viel zahle wie Joseph Beuys.
Sie hat sie angenommen. Maria Lassnig (1919–2014) war die erste Frau im deutschsprachigen Raum, die einen Lehrstuhl für Malerei erhielt. Übergangen fühlte sich die gebürtige Kärntnerin dennoch. Zu Recht. Ihr international bewundertes und zehn Jahre nach ihrem Tod omnipräsentes OEuvre, das von der bildenden Kunst, dem Animationsfilm bis zu skulpturalen Arbeiten reicht, wurde lange unterschätzt und sträflich vernachlässigt. Der Kunstbetrieb war ein männlich dominierter.
Auch davon erzählt der feministische und wunderbar widerborstige Film „Mit einem Tiger schlafen“von Anja Salomonowitz
N(„Dieser Film ist ein Geschenk“). Sie wurde soeben im Rahmen der Diagonale beim Thomas-Pluch-Drehbuchpreis mit dem Jury-Spezialpreis geehrt. Ihr hybrides Biopic lehnt sich lustvoll gegen die Konventionen des Genres auf, mixt dokumentarische Elemente, surreale Sequenzen und faktentreue Fiktionalisierungen. Nur Lassnigs Bilder bleiben real.
das nuancierte, körperliche Spiel von Birgit Minichmayr, die die Lassnig fast in allen Altersstufen von jung bis greisenhaft atemberaubend verkörpert; Gehstock, gebückte Haltung und Rollstuhl weisen auf ein hohes Alter hin. Minichmayr heimste den Schauspielpreis in Graz ein. Jury-Begründung: Sie ziehe „wie die Künstlerin selbst, schmerzlich unter die Haut gehend und mit höchster Intensität, Spuren auf der weißen Leinwand.“Die österreichische Star-Mimin verkörpert eine Frau, die mit der Kunst verheiratet war, in den Farben eine Heimat fand und im Kunstbetrieb isoliert blieb. Das Farbkonzept im Film zwischen Himmelblau, Rosa, Jadegrün und
Über allem thront
Fleischrot, das sich von ihren Bildern bis zu Details wie Trainingsjacken zieht, beeindruckt.
„A Frau muss dreimal so viel schuften wie ein Mann, nur weil’s a Frau ist“, ruft sie als Lassnig einmal in Richtung ihres Gspusis Arnulf Rainer (Oskar Haag), während sie mit einem Pinsel über ihre Malerei gebeugt liegt. Er lehnt sich ins Bett zurück, zündet eine Zigarette an und kontert: „Aber ich schuft’ ja gar nicht! Ich rauch’.“
Bis in die Nebenrollen großartig besetzt, u. a. mit Johanna Orsini und Lukas Watzl, gewährt „Mit einem Tiger schlafen“einen Blick auf eine Künstlerin, inszeniert von einer anderen. Ein bisschen Grundwissen über DIE Lassnig schadet vor dem Kinobesuch nicht.