Entzauberlehrling
In Deutschland wie in anderen Ländern stellt sich die Frage: Wie umgehen mit Rechtsaußenparteien wie der AfD? Inhaltlich stellen, lautet die Antwort.
ie Befürchtungen waren groß. Vor der TV-Debatte zwischen AfD-Frontmann Björn Höcke, Vertreter des als rechtsextrem eingestuften Flügels der Partei, und dem thüringischen CDU-Politiker Mario Voigt hatten viele erwartet, der Unionsabgeordnete könne nur verlieren. Nach siebzig Minuten Fernsehduell steht fest: Der bundespolitisch zuvor völlig un- bekannte Voigt entpuppte sich als kleiner Entzauberlehrling. Auch und vor allem, weil er sich klar von der AfD abgrenzte.
Die Frage über den Umgang mit Rechtsaußenparteien wird heftig diskutiert – nicht nur in Deutschland. Zwischen Rügen und dem Erzgebirge stellt sich zunächst die Frage, ob mit der AfD überhaupt gesprochen wird. In Thüringen lehnt es Minister- präsident Bodo Ramelow von der Linkspartei kategorisch ab, mit AfD-Vertretern in einer De- battenrunde aufzutreten. Ähn- lich hielt es zuvor in Rheinland- Pfalz auch Regierungschefin Malu Dreyer von der SPD. Wa- rum sich klein machen für die AfD?
Voigt zeigte aber vor allem, dass sich die argumentative Auseinandersetzung mitunter
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lohnt. Der CDU-Spitzenkandidat stellte Höcke, der in Thüringen die Umfragen anführt, inhalt- lich, blieb bei der Frage einer möglichen Kooperation aber konsequent. Nicht mit dieser AfD.
Rechtsaußen Ausgrenzen oder Entzaubern? Ein Blick quer durch Europa unterstreicht, wie komplex die Lage ist. In Frank- reich garantiert das Mehrheits- wahlsystem, dass der extreme Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen von der Macht ferngehalten wird. In par- lamentarischen Systemen ist es schwieriger. In Italien (Salvini, Meloni) und den Niederlanden (Wilders) zeigt sich, dass das Einbinden über Koalitionen nur der Anfang vom weiteren Auf- stieg war. Gleichzeitig sind au- ßenpolitische Radikalreaktio- nen wie im Fall Österreichs vor zwei Jahrzehnten in Europa nicht mehr denkbar. Meloni ver- handelt im Kreis der EU-Oberen längst mit, zuletzt bei den Flüchtlingsdeals mit Ägypten und Tunesien.
Die Frage, die sich derzeit für bürgerliche Parteien stellt, ist ohnehin ein andere. Gerade hat die EU die strikteste Wende ihrer Asylpolitik seit mehr als drei Jahrzehnten besiegelt. In Deutschland stimmten selbst die Grünen als Regierungspartei der Einrichtung von Asylzentren an der EU-Außengrenze zu. Es nützt deshalb wenig, wie die CSU in Bayern und der christdemokratische Fraktionschef Manfred Weber im EU-Parlament weiter von Obergrenzen zu reden. Erstens sind sie mit dem EU-Recht ohnehin schwer vereinbar. Zweitens verwässert das nur die radikale Wende, die jetzt in der Migrationspolitik beschlossen wurde. ie demokratischen Parteien müssen unterstreichen, dass sie längst handeln – nicht nur im Europawahlkampf. Das entzieht der größten Mär von Rechtsaußen das wichtigste Argument – dass die Politik nichts unternehme. Die Politik handelt. Sie muss das aber auch betonen und die Rechtspopulisten stellen. So wie jetzt Mario Voigt in Thüringen.
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