Entzückender Wahnsinn
Auf Amazon Prime wird die postapokalyptische Welt der populären Computerspielreihe „Fallout“zum Leben erweckt.
Im Ödland der ewig faden Videospielverfilmungen tut sich endlich Aufregendes. Es sind dramatische Szenen, die sich in den Eröffnungsminuten abspielen: Ein Kindergeburtstag, ja eigentlich ein Tag der Freude und des Feierns, wird von der dunkelsten Stunde seit Menschengedenken zerstört. Die Stimmung scheint ausgelassen, bis sich am Horizont aus heiterem Himmel eine gigantische Pilzwolke auftürmt. Während das Ungetüm näher rückt, ergreifen ein paar wenige Glückliche die Flucht in den Bunker.
Für andere ist jegliche Hoffnung bereits zu spät; ihre Überbleibsel fallen dem Ödland der atomaren Verwüstung zu Opfer. 219 Jahre später haben sich neue Zivilisationen gebildet. Videospiel-Begeisterten wird diese Postapokalypse nicht unbekannt sein. Seit den späten Neunzigern hat sich die „Fallout“-Reihe innerhalb der Gaming-Community zum absoluten Kultobjekt gemausert und führt heute die oberen Ränge der Verkaufscharts an.
Nach sieben
weiteren Spielauskopplungen wird der Kassenschlager auf Amazon Prime als Serie neu gedacht. Die Klassenkampfdichotomie bleibt dem Quellmaterial treu. An der Erdoberfläche, zumindest in den verbliebenen Ruinen, regiert die Gesetzlosigkeit – unten in den „Vaults“, den gut behüteten Schutzbunkern, lebt es sich locker und lustig. Als bei einem Überfall von oben das Oberhaupt eines Bunkers (Kyle MacLachlan) entführt wird, wagt sich Tochter Lucy (Ella Purnell) auf Rettungsmission in die tot geglaubte, echte Welt.
Erfreulicherweise scheut die von Christopher Nolans Brüderchen Jonathan (u. a. „Westworld“) produzierte Serienadaption nicht davor zurück, sich dem entzückenden Wahnsinn der Spiele hinzugeben. Mit einem feinen Auge für EndzeitÄsthetik und einem nostalgischen Soundtrack, der sich irgendwo zwischen Bing Crosby und Buddy Holly bewegt, übertragt sich das freche „Fallout“Flair mühelos ins Streamingzeitalter. Der wilde Mix aus Action, Western, Drama und rabenschwarzer Comedy geht hinunter wie Butter. Selbst dann, wenn man mit der Vorlage nicht vertraut ist.