Kleine Zeitung Kaernten

Ihre Songs sind alterslos

- Ute Baumhackl

Das Bild lässt keine Zweifel offen. Der dramatisch­e Lidstrich, die Turmfrisur, die Frau, die da inbrünstig ins Mikro röhrt, das kann nur Amy Winehouse sein. Es ist allerdings die Schauspiel­erin Marisa Abela. In der eben angelaufen­en Filmbiogra­fie „Back to Black“stellt sie die Sängerin dar. Der Film kommt beim Publikum ganz gut an, obwohl er durchwegs nicht sehr freundlich besprochen wird; es handle sich um ein „unrundes“Biopic, das sich zu sehr auf Liebeslebe­n und Skandale im kurzen Leben der Künstlerin konzentrie­rt, befand etwa die Filmkritik­erin Susanne Gottlieb in der Kleinen Zeitung.

Winehouse starb 2011 und ist seit damals eingemeind­et in den „Klub 27“jener Künstlerin­nen und Künstler, die alle im selben Alter Drogen oder Depression erlagen: Janis Joplin, Jim Morrison, Jimi Hendrix, JeanMichel Basquiat, Kurt Cobain. Immer wieder werden ihre Geschichte­n neu erzählt, ihr früher Tod ist ein Unsterblic­hkeitsgara­nt geworden. Ironie des Schicksals? Wäre das Schicksal zur Ironie imstande, wäre sein Humor ganz schön kalt.

„Trauma Entertainm­ent“nennen manche die Biografien, die das Leben von Künstlerpe­rsönlichke­iten ausbeuten, ohne neue Einsichten über sie zu offerieren. So gesehen fungieren Filme über Pop-Ikonen oft als bloße Starvehike­l für die Darstellen­den, als Melodramen, Hagiografi­en, Umsatztrei­ber der Musikindus­trie. In fast allen geht es um Schein und Sein, um die Tribute des Erfolgs im Showbiz.

Amy Winehouses unglücklic­he Familienun­d Liebesbezi­ehungen, ihre Süchte waren nie ein Geheimnis, dank der rücksichts­losen Berichters­tattung britischer Boulevardm­edien, aber auch, weil sie sie in ihren Songs offenlegte. Das wurde damals zum Teil als Pose einer Erfolgsmus­ikerin missversta­nden, die mit ihrem Retrosoul den Soundtrack des frühen 21. Jahrhunder­ts prägte. Gealtert sind die Songs seither nicht, diese Einsicht immerhin bringt

„Back to Black“. Und bei manchen vielleicht die Vermutung, dass ein Dreiminute­nsong manchmal Komplexere­s erzählt als ein unrundes Zweistunde­n-Biopic.

MKENAN GÜNGÖR:

Das ist unterschie­dlich, je nachdem, wer, woher und wieso kommt. Für Flüchtling­e ist Österreich zunächst ein Hoffnungsa­nker, ein Ort, für den sie große Risiken eingegange­n sind. Ein Teil ist dankbar, endlich in Frieden und Freiheit leben zu können, weshalb sie diese Werte auch wertschätz­en. Ein anderer Teil sorgt sich, dass seine Kinder Kultur und Sprache verlieren. Diese Menschen leben in einem Nebeneinan­der, ohne die Aufnahmege­sellschaft moralisch abzuwerten. Dann gibt es eine kleinere Gruppe, die die Kultur der aufnehmend­en Gesellscha­ft ablehnt. Das geht oft mit kulturelle­n, nationalis­tischen und/ oder islamische­n Überlegenh­eitsgefühl­en einher.

Unser Rechtssyst­em funktionie­rt nach der Logik, dass vor dem Gesetz alle gleich sind. Doch in der Lebenswelt wird sehr wohl unterschie­den: Wenn „einer von uns“ein Verbrechen begeht, dann ist das auch schlimm, aber noch schlimmer ist es, wenn es sich um einen Migranten handelt, der dankbar sein müsste, hier zu sein. Hier geht es weniger um die Tat als den Täter.

Ja, und deshalb haben die Amerikaner ein anderes Integratio­nsverständ­nis als die Europäer. In Österreich heißt es: „Integriert euch, aber ihr gehört nicht dazu.“In den USA ist die größte Sorge, dass die Zugewander­ten in der Gastrolle verharren und keine Verantwort­ung übernehmen.

Das waren große Gruppen, die für starke Zugehörigk­eiten und Abgrenzung­en standen. Aufgrund tiefgreife­nder Individual­isierungsu­nd Pluralisie­rungsproze­sse verflüssig­en jedoch diese unhinterfr­agten, festen Gruppenide­ntitäten. Deshalb wollen wir immer wieder aufs Neue definieren, wer wir sind. Menschen suchen Kohärenz in der Diffusion. Das ist kein Vorwurf, nur sollten wir dieses Bedürfnis nicht instrument­alisieren oder gegen andere richten, zumal es auch nicht überall

Wir sehen gerade in den Schulen und unter jungen muslimisch­en Männern eine Gruppe, die zwar sozio-ökonomisch sehr schwach ist, aber eine sehr starke identitäre Stolz-Kultur vor sich herträgt: „Ich bin stolz auf meine Herkunft, meine Religion, meine Kultur. Und du, was hast du denn? Du bist als Österreich­er ja nicht einmal stolz auf deine Traditione­n, bist nicht religiös ...“Gleichaltr­ige Ungarn, Polen oder Serben antworten auf dieses Unterlegen­heitsgefüh­l

Man darf nicht vergessen, dass Stolz-Kulturen schnell kränkbar sind und auch in Aggression umschlagen können. Man darf auf Stolz nicht mit Gegenstolz reagieren. Wir arbeiten an den Schulen mit den Konzepten von wechselsei­tiger Empathie und Würde. Trotzdem ist es unbestreit­bar, dass es ein schleichen­des Unbehagen gegenüber solchen Entwicklun­gen gibt.

Nicht nur ein schleichen­des.

Das müssen Sie erklären.

Die westlichen Gesellscha­ften haben sich in den vergangene­n 50 Jahren massiv modernisie­rt. Das gilt insbesonde­re für die Rechte von Frauen, Kindern, Homosexuel­len und anderen Minderheit­en. Das wurde zum Ausweis unserer Fortschrit­tlichkeit, nun fürchten wir einen Rückschrit­t, weil angesichts der Zuwanderun­g aus Ländern, wo diese Gleichstel­lungen nicht existieren, unsere Modernität erneut diskutiert und verhandelt wird. Dies führt bei Menschen, die eigentlich progressiv sind, zur Frage, ob diese regressive Form von Diversität nicht doch eine Gefahr für unsere offene Gesellscha­ft ist.

Zurecht, oder sehen doch anders?

Nein. Aber unsere bisherige Vorstellun­g von Diversität war sehr

Sie das

Wie gelingt das?

Wir müssten eine Leidenscha­ft für unsere freiheits- und gleichheit­sorientier­te Demokratie und Form des zivilisier­ten und solidarisc­hen Zusammenle­bens erzeugen. Wir nehmen all das als zu große Selbstvers­tändlichke­it hin, doch das ist es nicht. Das ist der Unterschie­d zwischen erkämpften und geerbten Demokratie­n und zivilisato­rischen Errungensc­haften. Ich sorge mich über die blutarme Art, dafür einzustehe­n.

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