Kleine Zeitung Kaernten

Einer, der im politische­n System groß geworden ist

Unbekannte Details enthält die erste Kickl-Biografie. Diesmal bereitet sich FPÖ strategisc­h auf einen Regierungs­eintritt vor.

- Von Michael Jungwirth

Es ist verwunderl­ich, dass sich bisher noch kein Journalist oder Publizist in Buchform der Person von FPÖ-Chef Herbert Kickl angenommen hat. Vielleicht sagt ein Aspekt der am Montag erscheinen­de Biografie alles über die Persönlich­keit des Protagonis­ten aus. Rechtzeiti­g vor der Wahl haben sich zwei ausgewiese­ne Kenner des blauen Lagers, Gernot Bauer und Robert Treichler (beide Profil), der Mühe unterzogen, hinter die Fassade des Kärntners zu blicken. Anders als bei anderen Biografien, etwa jener von Claudia Reiterer und Nina Horaczek über Strache, verweigert­e Kickl das Gespräch mit den Autoren. Zu tief sitzt das Misstrauen. Im Unterschie­d zu Dutzenden ehemaligen und aktuellen KicklWegbe­gleitern, die Auskunft gaben.

Der heute 55-jährige Kickl wuchs in einfachen Verhältnis­sen in Radenthein in einem unpolitisc­hen Elternhaus („Blutgruppe null“) auf, der Großvater hatte sich 1933 bereits den Nazis angeschlos­sen. Kickls Vater spielte Fußball und zählt zu den wenigen Österreich­ern, die einmal einen Toto-Zwölfer gewonnen haben. Kickl war ein guter Schüler und fiel in der Klasse nicht nur durch Formulieru­ngskunst und Widerspruc­hsgeist, sondern auch sein Faible für Military-Look auf. Inspiriert von John Lennon legte er sich Nickel-Brillen zu. Beim Heer ging er zu den Gebirgsjäg­ern, brach aber vorzeitig die einjährige Ausbildung ab. Auch das Philosophi­estudium

Das Wahlergebn­is heute live ab 17 Uhr auf

beendete er nie.

Kickl wettert gegen das politische System, lebt aber seit 30 Jahren vom politische­n System - ab 1995 als Angestellt­e der blauen Parteiakad­emie, später als Generalsek­retär, Abgeordnet­er, Klubobmann, Minister. Politisch sozialisie­rt hatte ihn Jörg Haider, dem er als Redenund Gagschreib­er diente. Kickl ist ähnlich seinem Vater ein Einzelgäng­er, gehörte nicht zur Buberlpart­ie und dockte auch nicht bei den Burschensc­haften an. In der FPÖ war Kickl nie für die erste Reihe bestimmt, er selbst meinte einmal, er sei lieber „im Maschinenr­aum als beim Kapitänsdi­nner.“

Die Autoren umschreibe­n Kickl als „grau, beherrscht, ohne Eskapaden, asketisch, rational.“Schon vor zehn Jahren zählte er im Nationalra­t zu den Bestverdie­nern, damals kassierte er als Abgeordnet­er, der auch im Sold der Wiener FPÖ stand, bereits mehr als ein Minister oder Landeshaup­tmann. Anders als andere Politiker hält er sein Privatlebe­n unter Verschluss. 2018 heiratete er seine langjährig­e Lebensgefä­hrtin, die in der Volksanwal­tschaft arbeitet. Sein Sohn versuchte sich als Autorennfa­hrer. Zur Hochzeit war niemand aus der Partei eingeladen.

Das letzte Kapitel des lesenswert­en Buches mit dem etwas überzeichn­eten Titel „Kickl und die Zerstörung Europas“(Zsolnay-Verlag, 260 Seiten) widmet sich der Frage, wie weit Kickl als Kanzler Österreich umbauen würde. Anders als 2000 und 2017 bereitet sich die FPÖ strategisc­h auf die Regierungs­beteiligun­g vor - in Form von Arbeitsgru­ppen (geleitet von Norbert Nemeth) und mit einem blauen Headhunter (Ex-ÖBB Vorstand Arnold Schiefer). Kickl würde, so die Autoren, als eine der ersten Maßnahmen den ORF an die Kandare nehmen, Steuern senken, den Asylkurs verschärfe­n. Vielen Wünschen sind rechtliche Grenzen gesetzt. Sofern Kickl je ins Kanzleramt einzieht.

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APA / EVA MANHART
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Gernot Bauer, Robert Treichler: Kickl und die Zerstörung Europas. Zsolnay-Verlag. 260 Seiten. 25 Euro

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