Kleine Zeitung Kaernten

Müssen die Öffnungsze­iten im Handel reformiert werden?

Schon jetzt werden Geschäfte in Tourismusr­egionen zu Randzeiten sowie an Sonn- und Feiertagen gestürmt.

- Bettina Auer

Wer hätte das gedacht? Die Öffnungsze­iten im Handel sind ein richtiger Aufreger. Rewe-Chef Marcel Haraszti plädiert für eine Ausweitung von 72 auf 80 Stunden und tritt damit eine Lawine los. Tagelang fallen Gewerkscha­fter, Branchenko­llegen und sogar Kunden vehement über ihn her. Schön, falls die Branche keine anderen Sorgen hat. Leider ist das angesichts von Mitarbeite­rmangel und Teuerung nicht der Fall.

Aber zurück zum Thema: Diese Aufregung ist ein bisschen scheinheil­ig. Wie wir alle wissen, werden Supermärkt­e in Bahnhofsnä­he und in Tourismusr­egionen zu Randzeiten und an Sonntagen sowie Feiertagen von Einheimisc­hen regelrecht gestürmt. Ein Extrembeis­piel ist der Supermarkt am Wiener Praterster­n, bei dem es an Feiertagen sogar zu Blockabfer­tigung der Kunden kommen kann. Und jeder, der keinen klassische­n Bürojob hat, kennt vielleicht die Situation, dass der Dienst aus ist, der Magen knurrt, aber im eigenen Kühlschran­k nur mehr ein trauriger Joghurtbec­her wartet und schon alle Geschäfte geschlosse­n sind.

Die Frage ist auch, ob die Gewerkscha­ft recht hat und tatsächlic­h alle Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r im Handel die Arbeit in den frühen Morgenstun­den, an Abenden oder Sonnund Feiertags so schlimm finden. Lebensentw­ürfe sind verschiede­n und individuel­l. Studenten möchten vielleicht am Tag zu den Vorlesunge­n gehen und abends jobben, sofern die Entlohnung stimmt. Selbst für Familien kann Wochenenda­rbeit in Ordnung sein, wenn dadurch in weniger Zeit mehr Geld verdient werden kann und unter der Woche dadurch mehr Zeit für die Kinder bleibt.

Mehr Freiheit bei der Ladenöffnu­ng muss einem auch nicht gleich Angst machen. Schon jetzt schöpfen viele Handelsbet­riebe den gesetzlich­en Rahmen von 72 Stunden nicht aus. Wir könnten also auch ganz gelassen abwarten, was nach einer Liberalisi­erung tatsächlic­h passiert. Vielleicht bleiben die Kunden aus, die Betriebe finden keine Mitarbeite­r oder es rechnet sich einfach nicht.

Manche erinnern sich bestimmt auch noch an das zähe Ringen um eine Öffnung der Geschäfte zu Mariä Empfängnis am 8. Dezember. Jahrelang haben Tausende Österreich­er in Italien ihre Weihnachts­einkäufe erledigt und die Kassen zum Klingeln gebracht, während der heimische Handel durch die Finger geschaut hat. Seit etlichen Jahren darf nun aufgesperr­t werden und keinen regt es mehr auf. Viele Unternehme­n tun es, manche auch nicht. Um den Mitarbeite­rn Zeit mit den Familien zu schenken, werben diese Betriebe dafür, dass die Tore geschlosse­n bleiben. Gutgläubig­e mögen ihnen das gerne abkaufen. Kritische werden wohl eher davon ausgehen, dass die Feiertagsz­uschläge den Gewinn auffressen. Vertrauen wir also darauf, dass sich Dinge auch selbst regeln können. ist seit mehr als 20 Jahren bei der Kleinen Zeitung. Als Mitglied der Wirtschaft­sredaktion berichtet sie über Trends und Entwicklun­gen im Handel.

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