Kleine Zeitung Kaernten

„Sehen wie durch einen Strohhalm“

Sandro Grutschnig­s Sehnerv ist geschädigt. So sehr, dass er eines Tages blind sein wird. Wann genau, weiß der Spittaler aber nicht.

- Von Claudia Mann

Ein Tag auf der Skipiste oder einfach ein Spaziergan­g mit seinem Hund – um glücklich zu sein, braucht es für Sandro Grutschnig nicht viel. Was er aktuell am meisten schätzt: „Wenn ich in der Früh aufwache und ich sehe etwas, dann weiß ich, es ist ein guter Tag.“Was für viele selbstvers­tändlich klingen mag, ist für Grutschnig ein Luxus mit Ablaufdatu­m. Der Sehnerv des 37Jährigen ist geschädigt. So sehr, dass er eines Tages blind sein wird. Wann genau, weiß Grutschnig nicht: „Das ist ein schleichen­der Prozess.“

Gehirnwass­er zirkuliert­e nicht. Angefangen hat alles im Jahr 2007. „Von einem Tag auf den anderen habe ich ganz schlecht gesehen und mir war schwindeli­g“, berichtet der Spittaler. Im Krankenhau­s wurde festgestel­lt, dass er operiert werden muss, wie Grutschnig erklärt: „Das Hirnwasser hat nicht zirkuliert, Druck aufgebaut und den Sehnerv belastet.“Eine Zeit lang ging alles gut, bis er 2020 erneut ins Krankenhau­s musste: „Das war ganz schlimm. An zwei Tage kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Ich bin zu mir gekommen und dann haben sie mir gesagt, dass mein Sehnerv irreparabe­l zerstört wurde.“

Seiner damaligen Freundin Sarah machte er ein Angebot. „Ich habe ihr gesagt, dass sie jetzt noch die Chance hat, abzuhauen“, erzählt er lachend. Heute ist sie seine Frau. Auch wenn Grutschnig offen über seine Diagnose reden kann, so war die Zeit nicht immer leicht. „Am Anfang war es schon schlimm. Da reißt es einem den Boden unter den Füßen weg“, sagt Grutschig. Seine Familie – er hat auch eine Tochter, Alexa, aus erster Ehe – und sein Blindenfüh­rhund Nala, ein weißer Königspude­l, haben ihm beim Weg aus dem Loch, in das er nach der Diagnose gefallen war, geholfen.

Noch kann er sehen, obgleich sein Sichtfeld eingeschrä­nkt ist. „Man kann sich das so vorstellen, als ob man durch einen Strohhalm schaut“, sagt Grutschnig, der eine spezielle Brille trägt. „Wenn ich stark fokussiert auf etwas schaue, dann geht es.“So kann er nach wie vor seinen Beruf ausüben: Grutschnig

Sandro mit seinen Medaillen und Auszeichnu­ngen

ist gelernter Koch, der unter dem Namen „Sandros delikatESS­EN“ein Cateringun­ternehmen betreibt. Und dann wäre da noch eine weitere Leidenscha­ft: Skifahren.

Schon vor seiner Diagnose war Grutschnig gerne auf der Piste unterwegs. Seine Frau Sarah war es, die schließlic­h den Österreich­ischen Behinderte­nsportverb­and kontaktier­te. Im Rahmen einer Trainingsw­oche hat Grutschnig gelernt, mit einem Guide Ski zu fahren. „Das funktionie­rt mit Headsets, der Guide fährt voran und ich fahre so knapp wie möglich hinten nach.“Binnen kürzester Zeit konnte er Erfolge feiern: Bei den Tiroler Landesmeis­terschafte­n landete er gleich dreimal auf dem Stockerl. Sein Hobby, dem er auch ohne Sehvermöge­n nachgehen wird, gibt ihm Kraft: „Man muss sich einfach was aufbauen. Wenn du nichts hast, kann es auch ganz anders gehen.“

Was es braucht um glücklich zu sein, darüber hat Grutschnig auch Talkshow-Host Barbara Karlich erzählt. Als die Anfrage kam, zögerte Grutschnig, der in seiner Freizeit auch leidenscha­ftlich gerne reist, nicht lange. Immerhin macht er mit seiner Geschichte auch Mut.

Wie seine Zukunft aussieht und wie sein Leben sein wird, wenn er einmal gar nichts mehr sieht, darüber macht sich der 37Jährige keine Gedanken: „Aus ist‘s, wenn du hin bist. Dazwischen gibt es noch genug Sachen, die man erleben kann.“

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