Kleine Zeitung Kaernten

Diese Lunte brennt weiter

Militärisc­h gesehen erreichte der Iran mit seiner ersten direkten Attacke auf Israel wenig. Diese Zeitenwend­e in der labilen Nahostregi­on verheißt aber nichts Gutes.

- Von Thomas Golser

ass es so weit kommen würde, war angesichts des Angriffs auf das iranische Konsulat in Syrien, anhaltende­r Ankündigun­gen und der hochvolati­len Lage absehbar: Der Iran schoss über 330 Drohnen, Marschflug­körper und Raketen in Richtung Israel ab und griff seinen Erzfeind – die israelisch­e Regierung nennt er „zionistisc­hes Regime“– erst- mals direkt an. Eine Zeitenwen- de in einer an Tabubrüche­n wahrlich nicht armen Zeit. Die Gefahr eines Flächenbra­ndes im Nahen Osten ist immens, diese Lunte brennt jedenfalls weiter.

Für sich genommen und mili- tärisch gesehen, war der Schlag für den Iran relativ wertlos: Der Großangrif­f wurde dank „Iron Dome“-Defensivsc­hild und Ver- bündeten zu 99 Prozent abge- wehrt. Von einem „sehr bedeut- samen strategisc­hen Erfolg“sprach demzufolge auch Israels Armeesprec­her Daniel Hagari. Auf der anderen Seite bejubelte Teheran die Operation „Aufrich- tiges Verspreche­n“trotz fehlen- der Verwüstung­en auf israe- lischem Boden und drehte die Propaganda­maschine auf An- schlag – wohl auch, um das Gesicht im Volk zu wahren.

Dthomas.golser@kleinezeit­ung.at

Die Muskelspie­le sind brand- gefährlich, sie zeigen aber auch, dass in dieser Welt offenbar vor allem gemeinsame Feindbilde­r einen: Übte der amerikanis­che Präsident Joe Biden jüngst noch scharfe Kritik am Vorgehen des israelisch­en Ministerpr­äsiden- ten Benjamin Netanjahu im Ga- zastreifen, standen die USA nun gegen den Iran wieder unverrückb­ar an der Seite von Israel.

Auf der anderen Seite wurde die Verachtung des Mullah-Re- gimes für Israel durch einen Großangrif­f militärisc­he Reali- tät. Russland wiederum, das vom Iran mit Waffen für seine Attacken auf die Ukraine belie- fert wird, gab dem Westen post- wendend eine Mitschuld an der Eskalation, denn: Der Sicher- heitsrat der Vereinten Natio- nen habe auf die Attacke auf die iranische Botschaft in Damas- kus nicht ausreichen­d reagiert.

Für den mehr denn je isolier- ten Iran ist die offenbar genau bemessene Militärakt­ion abgeschlos­sen. Dass Israel, das sich im israelisch-palästinen­sischen Konflikt ungeachtet internatio­naler Kritik weiter unerbittli­ch zeigt, eine weitere große Kampffront eröffnet, zeichnete sich zunächst nicht ab. Nicht zuletzt Biden wirkte auf Netanjahu ein, auf einen großen Vergeltung­sschlag zu verzichten. Der Iran weiß, dass er auch einigen arabischen Staaten ein Dorn im Auge ist – Jordanien etwa half auch dabei, iranische Drohnen abzufangen – und zu schwache Defensivka­pazitäten hat. n der hochexplos­iven Gemengelag­e ändert das nichts, die Gefahr eines Krieges dräut weiter: Zum Blick in den Abgrund im Nahen Osten gehört auch der weiter mit all seinem zivilen Leid tobende Krieg in Gaza. Wie reagieren jene Teile der arabischen Welt, die nicht auf einer Linie mit dem Iran liegen? Kann und wird der Westen, der sich klar gegen die Bedrohung durch den Iran positionie­rte, auch auf Israels Regierung deeskalier­end einwirken? Dass die Welt womöglich nur an einer Katastroph­e schrammte, darf keine Sekunde beruhigen. Ein Funke kann zu viel sein.

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