Kleine Zeitung Kaernten

Lesehilfe für Umfragen

Im Bund sind die Neos in Umfragen stabil und die FPÖ weit voran. Doch die jüngsten Wahlen könnten eine neue Deutung nötig machen – und die Pinken aufschreck­en.

- Von Simon Rosner

nnsbruck ist ein besonderes politische­s Pflaster: ein grüner Bürgermeis­ter, insgesamt 13 Parteien, darunter mehrere Abspaltung­en, sowie ein an der neuen Vier-Prozent-Hürde gescheiter­ter Kandidat (Gerald Depaoli), der im Angesicht des Hinauswurf­s den Innsbrucke- rinnen und Innsbrucke­rn via So- cial Media mitteilt: „Ihr habt uns gar nicht verdient!“Bei einem solchen, doch sehr speziellen Biotop sollten allgemeing­ültige Schlüsse nur mit aller Vorsicht und unter Intensivnu­tzung des Konjunktiv­s gezogen werden.

Bei den Neos schärft sich aber langsam die Wahrnehmun­g, dass die seit Jahren stabilen Umfragen auf Bundeseben­e ei- ner Neuinterpr­etation bedürfen könnten. Es ist empirisch nach- gewiesen, dass sich positive wie negative Trends einer Partei auf die Landeseben­e niederschl­a- gen. Der Politikwis­senschaftl­er Laurenz Ennser-Jedenastik hat ermittelt, dass sich mit jedem Prozentpun­kt auf oder ab im Bund die Partei im Land durch- schnittlic­h um einen halben Prozentpun­kt mitbewegt. Das ist nicht wenig.

Die Gemeindera­tswahl in Innsbruck liegt zwar noch eine

Isimon.rosner@kleinezeit­ung.at

Ebene darunter, ebenso die Stadt Salzburg, doch aus dem Landtag in Salzburg sind die Ne- os im Vorjahr ebenso hinausge- flogen. Sind die Ergebnisse auf lokaler Ebene fortgesetz­t dürf- tig, könnte dies auch bedeuten, dass der Bundestren­d in Wahr- heit schlechter ist, als die Um- fragen derzeit offenbaren.

Auffallend ist, dass die zum Teil aus dem Umfeld der ÖVP hervorgega­ngenen Liberalen zum wiederholt­en Mal nicht von der akuten Schwäche der Volks- partei profitiere­n konnten – auf- fallend, aber nicht verwunderl­ich. In ihren Anfängen hatten die Neos mit ihrem positivist­i- schen Ansatz auch für Schwarze ein attraktive­s Angebot darge- stellt: modern, urban, mit Schwerpunk­t Bildung und Re- formen. Das hat sich seither auch nicht groß geändert.

Doch zehn Jahre erbitterte Op- position zur ÖVP, die auch eine Anzeige gegen Sebastian Kurz beinhaltet­e, die zum Falschauss­age-Prozess gegen den ExKanzler geführt hat, haben viele Brücken zwischen diesen Parteien zerstört; Brücken, die auch für einen Wähleraust­ausch notwendig wären. Unzufriede­nheit säen ist das eine, die Ernte einfahren weitaus schwierige­r.

Die FPÖ, die von den Umfragen auf Bundeseben­e als große Profiteuri­n der manifesten Unzufriede­nheit ausgewiese­n wird, schnitt nach Salzburg auch in Innsbruck schwach ab. Das Ergebnis lag am unteren Ende der Schwankung­sbreite der veröffentl­ichten Prognosen. Es ist kein Beinbruch für die Blauen, könnte aber auf eine Überdeklar­ation bei Befragunge­n hindeuten, wie das auch Meinungsfo­rscher für möglich halten. ie gestiegene Wahlbeteil­igung in Innsbruck fügt sich zudem ins Bild vergangene­r Urnengänge. Das Nichtwähle­r-Lager ist groß, wird aber offenbar kleiner. In Salzburg konnte die KPÖ, in Innsbruck vor allem die SPÖ profitiere­n. Darin liegt auch für Herbst noch viel Potenzial, die Mobilisier­ung am Wahltag wird ein bedeutende­r Faktor sein. Oder könnte, Konjunktiv!

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