Kleine Zeitung Kaernten

Rebellentu­m zahlt sich aus

Der Wahlsieg des verstoßene­n Anzengrube­rs in Innsbruck zeigt: Die ÖVP hat nicht nur das Gespür für Themen verloren, sondern auch für Potenzial in den eigenen Reihen.

- Von Christina Traar

us der erwarteten knappen Entscheidu­ng wurde am Ende doch ein klarer Sieg. Die Innsbrucke­rinnen und Innsbrucke­r haben sich mit deutlicher Mehrheit gegen ihren amtierende­n Bürgermeis­ter Georg Willi (Grüne) und für seinen Herausford­erer Johannes An- zengruber (JA – Jetzt Innsbruck) entschiede­n. Der frühere Hüt- tenwirt konnte die Stichwahl mit rund 60 Prozent der Stim- men für sich entscheide­n und zeigte sich im Anschluss seines Erdrutschs­ieges „überwältig­t“.

Willi muss den Schlüssel zum Bürgermeis­ter-Büro, den er als erster grüner Chef einer Landes- hauptstadt entgegenne­hmen konnte, nach nur einer Amtszeit wieder abgeben. Auch seiner Vorgängeri­n Christine Oppitz- Plörer war die zweite Stichwahl ihrer Karriere zum Verhängnis geworden – einen Amtsinhabe­r- bonus kennt man in der Tiroler Landeshaup­tstadt nicht.

Willi verspielte aber auch so einiges an Vertrauen. Eine ge- platzte Koalition, politische Streiterei­en, Korruption­svor- würfe und gescheiter­te Projekte hatten das einstige Macher- Image des Grünen über die Jahre stark beschädigt. Nach voreili

Christina.Traar@kleinezeit­ung.at

Agen Sondierung­sgespräche­n, nach denen er sein Lieblingsr­e- zept einer „Caprese“-Koalition aus Grünen, JA und SPÖ ausge- geben hatte, bleibt Willi nun als Wahlverlie­rer hungrig zurück. Ob auch Anzengrube­r Appetit auf diese Koalitions­variante hat, wird sich erst zeigen. Wie schon im Wahlkampf beteuert er auch nach seinem Sieg, „mit allen reden“zu wollen. Direkte Angriffe auf Willi hatte er stets vermieden, die Gespräche mit ihm könnten Willi am Ende also doch noch mitregiere­n lassen.

Dass es Anzengrube­r ist, der nun zu besagten Gesprächen einlädt, hätte vor einigen Mona- ten niemand für möglich gehal- ten – am wenigsten seine eins- tige Partei, die ÖVP. Die schmiss den Rebellen, der stets von sei- nem Talent überzeugt war, hochkant aus den schwarzen Reihen und setzte stattdesse­n auf den damals amtierende­n Di- gitalisier­ungsstaats­sekretär

Florian Tursky. Während der resche Unternehme­r Anzengrube­r mit seiner Märtyrer-Erzählung und der dadurch gewonnen Unabhängig­keit punkten und mit der Aufnahme eines Privatkred­its für den Antritt sogar politische­n Gegnern Respekt abringen konnte, gaben sich Tursky und sein konservati­ves Bündnis zuversicht­lich und deshalb nicht ausreichen­d Mühe. Innsbruck präsentier­te, mit Anzengrube­r in der Stichwahl und Tursky auf Platz fünf, kurz darauf die Rechnung. er nunmehrige Wahlsieg von Anzengrube­r zeigt: Es zahlt sich aus, sich von der Volksparte­i abzugrenze­n. Diese scheint nicht nur endgültig das Gespür für die wichtigen Themen in der Bevölkerun­g verloren zu haben (Stichwort Leitkultur), sondern auch für das Potenzial in den eigenen Reihen. Den ungeduldig­en Aufzeiger längst ausgedient­er Parteimust­er wies man zuerst zurecht und später Richtung Tür, man wisse als alteingese­ssene Großpartei schließlic­h am besten, wie Politik funktionie­rt. Dafür, dass das längst nicht mehr stimmt, ist Innsbruck nun ein weiterer Beweis.

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