Das speziellste der drei Wohnzimmer
Sturm-Kapitän Stefan Hierländer kehrt am Mittwoch in sein „Klagenfurter Wohnzimmer“zurück. Zuvor gibt er Einblicke in seine vier Wände.
eht ein Rocker in einen Blumenladen: „Wo sind denn die Guns n’ Roses?“, grinst Sturm-Kapitän Stefan Hierländer („legendärer Flachwitze-Erzähler bei unseren Trainings“), während er mit Tochter Marie gemütlich auf der Couch chillt – Kitzel-„Attacken“inklusive. Der süße Blondschopf ist seit zweieinhalb Jahren sein absoluter Sonnenschein. Mit ihrem Charme hat sie längst die Nachbarsbuben um den Finger gewickelt. „Frag’ mich jetzt bitte nicht, was ich in zehn, zwölf Jahren dazu sage. Das dauert noch ganz lange“, schwant dem Kicker, was ihn erwarten könnte. Was viele möglicherweise nicht wissen, Hierländer ist ein passionierter Barista und stammt aus einer Bäckerdynastie. „Mein Papa ist Bäckermeister und Patissier und der Opa sowieso eine Legende. Als Kind war ich oft in der Backstube und habe fleißig Kekse gebacken“, erzählt der Kaiserschmarrn-Spezialist, der am Thermomix Gefallen gefunden hat.
Die Papa-Tochter-Zeit genießt das Duo in vollen Zügen: Ob mit
GBällen, am Rad oder beim Fröschebeobachten im nahegelegenen Park – Marie hat alles im Griff und fängt beim Kicken, trotz Lutscher-Ablenkung, die Bälle besser als Rapid-Goalie Niklas Hedl (man erinnere sich an den 1:0-Sieg der Grazer, als dem 23-Jährigen ein unfassbarer Patzer unterlaufen war). Es macht nahezu den Anschein, als sei an Hierländer ein Kinderpsychologe verloren gegangen. Nur eine Situation, lässt ihn alles andere als kalt: „Übergib in der Früh ein schreiendes Kind an die Tagesmutter, wenn sie die ganze Zeit Papi schreit. Das ist das Schlimmste, aber ich versuche, cool zu bleiben. Marie ist genauso ungeduldig und ein Sturkopf wie ich.“
Um dieses Thema schließlich zu umschiffen, richtete der Oberkärntner seine Augen auf eine Fotocollage seiner Bundesligaporträts. Bei Frisuren scheiden sich bekanntlich die Geister. „Ich musste für meine Schwester als Modell herhalten. Sie hat nichts ausgelassen.“Das obligatorische Haarband machte ihm in seiner Jugendzeit Fußballstar Paolo Maldini schmackhaft. Hierländer ist aber alles andere
QR Code scannen und mehr Fotos ansehen als ein Selbstdarsteller, hat keine Fußballfotos von sich in der Wohnung hängen. „Ich habe mich nie für wichtig gehalten, nur meine 15 Parfüms mussten damals sein. Das hat sich inzwischen gelegt“, verdeutlicht Mr. Spontan, den man vergeblich auf Instagram sucht. Diesbezüglich weist er darauf hin, dass er auf seiner Facebook-Fanseite eine Morddrohung erhielt, als er bei Leipzig unter Vertrag stand. Er weiß deshalb, was es bedeutet, Feindbild Nummer eins zu sein. Loyalität nimmt beim Allrounder einen großen Stellenwert ein. Oft sei er aber zu vertrauenswürdig. „Ich kann sehr schwer nein sagen“, offenbart Hierländer, der sich als extrem schlechter Verlierer bezeichnet. „Oft sind alle anderen schuld. Da kann ich unter die Gürtellinie gehen, kritisiere und diskutiere aber mit feiner Klinge.“goisten sind ihm kein Dorn im Auge, „wobei die Mehrheit im Team aufs große Ganze schauen muss“. Respekt ist entscheidend. „Manchmal muss man einfach runterschlucken. Ich hinterfrage mich ständig, bin kompromissbereit und nehme Kritik nicht persönlich. Es wäre nur besser, wenn der Bauchmensch häufiger in mir durchkommen würde“, erklärt der ehemalige ÖFB-Nationalteamspieler und verrät, welch schwieriger Charakter Emanuel Emegha gewesen ist. „Da hat es in der Kabine oft gekracht, aber es ist mir gelungen, dass es nicht ganz ausgeufert ist. Es darf letztlich
E
nichts hängenbleiben, sondern jedes Problem muss irgendwie gelöst werden.“Nicht umsonst betont die Grazer Führung, dass unter Kapitän Hierländer – er ist übrigens alles andere als multitaskingfähig, wie er betont – großteils alles glattläuft. Der Mittelfeldakteur kann – mittlerweile nur noch äußerst selten – zum Partytiger avancieren. „Aber dann sperr’ ich als Letzter zu.“
Auf seine Spielminuten – 1341 in der laufenden Saison – angesprochen macht „Hierli“deutlich, „dass man natürlich angefressen ist. Es wäre schlimm, wenn nicht. Ich hatte in den letzten eineinhalb Jahren immer mal Wehwehchen, irgendwann rächt sich das. Nach drei OPs am Knie muss man schauen, dass man ins System zurückfindet. Von dem her ist es für mich ‚part of the game‘, weil Spieler auf meiner Position performen“, konkretisiert
Hierländer, der den Wechsel von
Salzburg nach Leipzig im Nachhinein als „falsche
Entscheidung“tituliert.
Am Mittwoch kehrt der Greifenburger an jenen
Schauplatz zurück, der Erinnerungen weckt. Mit 17 Jahren feierte Hierländer sein Debüt in der damaligen Hypo-Group-Arena. Es war jenes Stadion, neben dem er „aufgewachsen“ist. „Es hat 2009 unter Trainer Frenkie Schinkels bei Austria Kärnten angefangen. Ich wurde in der 57. Minute für Manuel Weber eingewechselt.“Und abseits seiner Premiere hatte er eine Mission der anderen Art. „Ein Schulkollege war ein riesiger SturmFan und das Trikot von Mario Haas war das Größte für ihn. Sturm hat verloren, Mario war sauer und ich wusste nicht, wie ich ihn anreden sollte. Ich habe es getan, per Sie, bekam aber eine Abfuhr. Die Story kennt Mario inzwischen. Heute lachen wir darüber.“
Seither durchlebt der Kicker Höhenflüge, aber auch bittere Momente. Der emotionalste Augenblick war, als Austria Kärnten Insolvenz anmelden musste. Dieser Abschied 2010 ging ihm besonders nahe. „Da bekomme ich jetzt noch Gänsehaut. Das war ein Nackenschlag. Ich kann mich an das Interview mit dem verstorbenen ORF-Moderator Gustav Rainer erinnern. Es war die Partie gegen Wr. Neustadt und ich habe damals geantwortet, dass ich hierher zurückkehren werde.“r hielt sein Wort. 2018 avancierte der Sturm-Publikumsliebling zum absoluten „Hero“, als er im Cupfinale gegen die Millionentruppe aus Salzburg das Goldtor zum 1:0 in der Verlängerung erzielte. „Diese Dramaturgie war unglaublich. Und ja, meine Abschlüsse sind nicht immer solche, wie man sie lernt, aber drin ist drin.“Und es ging weiter so in Klagenfurt, auch vergangene Saison triumphierten die „Blackies“. „In der Hinsicht bin ich ziemlich gesegnet. So etwas brennt sich ins Gedächtnis.“Erwähnenswert ist, dass Hierländer in Klagenfurt kein Cupfinale verloren hat. „Das kann gern so weitergehen.“Die Vertragsverlängerung bis 2025 ist nur noch Formsache, bestätigt auch Geschäftsführer Andreas Schicker. Zuvor soll aber der Cuptitel am Mittwoch gegen Rapid her. „Ich habe mit meinem eigenen Zuhause, der Merkur-Arena in Graz und dem Klagenfurter Stadion drei Wohnzimmer. Die speziellsten Momente habe ich in Klagenfurt erlebt.“
A. Kärnten, Salzburg, Leipzig, Sturm (seit 2016)
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