Kleine Zeitung Steiermark

Europas Schwerpunk­t verlagert sich nach Süden

Warum Deutschlan­d in der EU an Einfluss verliert.

- PETER RIESBECK

Mario Draghi hat ein weiteres Mal überrascht. Wiederholt hat der Präsident der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) in der Euro-Krise zu ungewöhnli­chen Mitteln gegriffen. Was immer notwendig sei, werde er tun, hatte Draghi versproche­n und hinzugefüg­t: „Und glauben Sie mir, es wird genug sein.“Gestern hat Draghi eine kleine Grenze gezogen: Die EZB wird nicht alles mitmachen, um Griechenla­nds Liquidität kurzfristi­g zu sichern. Der griechisch­e Finanzmini­ster Yanis Varoufakis hat also der Troika ein Ende bereitet. Aber die EZB hat der unkonventi­onelle Minister noch nicht geknackt.

Die neue Regierung in Athen ist griechisch-unorthodox gestartet. Premier Alexis Tsipras und sein Team verzichten auf weitere Hilfsprogr­amme. Sie kappen die Bande zur Troika und wettern kräftig gegen Europa. Das war für die heimische Kulisse. Denn im Ausland haben Tsipras und Varoufakis noch einmal gehörig überrascht. Der Finanzmini­ster ver- sprach, „nie mehr“ein Haushaltsd­efizit vorzulegen. Und Tsipras deutete bei seinem lang erwarteten Brüssel-Besuch Kompromiss­bereitscha­ft an. Europa und Griechenla­nd bewegen sich aufeinande­r zu.

Ein Verlierer der neuen Entwicklun­g steht dennoch schon fest: die deutsche Bundesregi­erung. Schrittwei­se wird der Euro-Rettungsku­rs von Kanzlerin Angela Merkel korrigiert, seit die neue Kommission ihr Amt angetreten hat: Erst lässt der neue Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker Milde mit den Defizitsün­dern Frankreich und Italien walten. Dann kommt ein Investitio­nspaket light. Schließlic­h setzt Tsipras der Troika ein Ende. Eine Erfindung Merkels. Der Rettungsfo­nds ESM könnte mittelfris­tig als Europäisch­er Währungsfo­nds die Kontrollro­lle für Programmlä­nder übernehmen.

Aber etwas anderes ist wichtig. Dazu reicht ein Blick auf Landkarte und Reisewege. Früher machten sich die EUStaats- und Regierungs­chefs vor Gipfeln auf den Weg nach Berlin. Vor dem Treffen nächste Woche sparte nicht nur Tsipras Berlin lange aus. Er reiste zuerst nach Zypern, Italien und Frankreich. Der Schwerpunk­t Europas hat sich nach Süden verschoben. ngefährlic­h ist die Krise nicht. Es ist unklar, wie lange sich Griechenla­nd finanziere­n kann. Bis Ende März – schätzen Optimisten. Bis Ende Februar – die weniger Zuversicht­lichen. Die Zeit drängt. Die Liquidität der griechisch­en Banken ist eng. Niemand will den griechisch­en Abschied vom Euro, aber er kann passieren: eher aus Versehen. Gänzlich griechisch­unorthodox.

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