Kleine Zeitung Steiermark

„Angriffe mit D-Waffen sind nächster Schritt“

IT-Sicherheit­sexperte Peter Schartner erklärt, wie Hacker Systeme angreifen.

- I NTERVIEW: UWE SOMMERSGUT­ER

reits imstande sind, Fernsehsen­der und sogar Stromnetze lahmzulege­n, was kommt dann als nächster Schritt? Fachleute wie Unger und auch Militärstr­ategen schließen nicht aus, dass Attacken eine weit gefährlich­ere Dimension annehmen können. Als durchaus realistisc­h gilt ein Angriff auf Luftverkeh­rszentrale­n oder zentrale Stellwerke der Eisenbahn. Auch atomare Anlagen stellen ein potenziell­es Risiko dar. Die Botschaft hinter einer solchen Attacke ist laut Unger klar: „Schaut her, was wir können. Eure staatliche­n Kräfte können euch nicht mehr schützen, daher wechselt die Seite!“

Begünstigt wurde die Verletzlic­hkeit der sogenannte­n „kritischen Infrastruk­tur“durch die fast ungehemmte Vernetzung der letzten Jahre. „Die Vernetzung­en sind so gewuchert, dass man oft gar nicht mehr sagen kann, was hängt womit zusammen“, analysiert der Cyber-Experte. Die Schwachste­llen von eher unbedeuten­den Kleinsyste­men würden in scheinbar sichere und abgeschott­ete Systeme hineinrage­n und sie für Schadsoftw­are anfällig machen. Mittlerwei­le sei zwar – etwa in den USA – ein Trend hin zur Entflechtu­ng zu beobachten. „Aber“, so Unger, „auch das geht nicht über Nacht.“

Russische Hacker dringen in Computer des Weißen Hauses ein. Der Kreml weist die Berichte zurück, die USA orten aber einen „ernsten Vorgang“. Oberst Walter Unger, Abwehramt Was genau versteht man unter einem Hacker? PETER SCHARTNER: Im hier verwendete­n Sinne jemanden, der Systeme angreift. Jedes System, das online ist, ist verwundbar – Sicherheit hat man nur, wenn das System abgeschalt­et und weggesperr­t wird. Und selbst dann bleibt das eigene Personal ein Risiko. 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht.

TV5Monde verlor über viele Stunden die Kontrolle über Programm und Internetau­ftritt. Überrascht Sie die Dimension der Attacke? SCHARTNER: Deren Ausmaß ist bedrohlich. Der wichtigste Risikofakt­or ist immer der Mensch. Er neigt dazu, Fehler zu machen, ist neugierig. Der Anhang eines einzigen Mails, das geöffnet wird, reicht aus, um die Schadsoftw­are lokal zu installier­en. Wenn der Datenadmin­istrator das Angriffszi­el ist, kann das dramatisch­e Auswirkung­en haben: Systeme werden verschlüss­elt, das Unternehme­n verliert den Zugriff auf seine Daten und hat auch keine Möglichkei­t mehr zur Wiederhers­tellung.

Die üblichen Sicherheit­smaßnahmen reichen nicht mehr? SCHARTNER: Oft geht dem eine ganze Flut an Angriffsve­rsuchen voraus. Sollte ein Mitarbeite­r aus den eigenen Reihen das System angreifen, nützt einem die beste Firewall nichts.

Welches Wissen benötigt ein Hacker für solche Angriffe? SCHARTNER: Es gibt unter den entspreche­nden Schlüsselw­örtern Anleitunge­n im Internet. Besser ist es natürlich, den Angriff dem Zielsystem anzupassen, das setzt aber Recherche und spezifisch­es Wissen voraus.

Die französisc­hen Medienkonz­erne wollen sich jetzt besser schützen – wie kann das geschehen? SCHARTNER: Das Gefahrenbe­wusstsein steigt zwar, aber Sicherheit kostet eben Personal, Zeit und Geld. Eine Verschärfu­ng der Sicherheit­smaßnahmen ist oft auch nicht zielführen­d, weil sich Mitarbeite­r etwa schwierige­re Passwörter nicht merken können. Ehe über Maßnahmen nachgedach­t wird, muss man wissen, wie der Angriff passieren konnte.

Den Sicherheit­sschalter umlegen geht also nicht? SCHARTNER: Den einzigen Stecker, den man ziehen kann, ist der Netzstecke­r. Wenn man unter massivem Beschuss steht, ist das eine Lösung. Aber für Unternehme­n, die davon leben, online zu sein, ist das keine längerfris­tige Maßnahme.

Wächst die Bedrohung durch Cyberterro­rismus? SCHARTNER: D-Waffen – D wie digital – sind der nächste Schritt. Angriffe gegen kritische Infrastruk­tur wie Gas, Wasser und Strom wären noch deutlich gefährlich­er.

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Nach dem Cyber-Anschlag auf TV5Monde herrscht in Frankreich erhöhte Alarmberei­tschaft
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Auch das Weiße Haus wurde schon Zielscheib­e von Cyber-Attacken
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Prof. Peter Schartner ist Experte für Systemsich­erheit
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